U-Bahn rammt Denkmal

■  Die Bronzefiguren Marx und Engels müssen dem Baustadtrat fürchtet „politische Säuberung“ und Bau der U-Bahn-Linie 5 weichen. schlägt Ausweichstandorte vor

Dass die beiden alten Herren einmal auf Reisen gehen sollen, muss der Künstler Ludwig Engelhardt irgendwie geahnt haben. Warum sonst hätte er dem sitzenden Karl Marx eine kofferartige Unterlage beigegeben und Friedrich Engels in einen Mantel gesteckt? Seit 1986, als zum 11. Parteitag der SED die Bronzeriesen auf dem Marx-Engels-Forum in Mitte enthüllt wurden, hocken die beiden Alten inmitten der Kreisanlage, und man wird den Eindruck nicht los, sie warteten auf den nächsten Zug. Nicht zu Unrecht und unter dem Eindruck der Denkmalsschleifungen nach dem Fall der Mauer fragte darum einmal die FAZ : „Sind die beiden auf dem Weg ins Altenheim?“

Dem Bronzedenkmal droht nun der verspätete Abtransport. Das Gelände gehört zur Baustelle der geplanten Verlängerung der U-Bahn-Linie 5 vom Alexanderplatz bis zum Lehrter Zentralbahnhof. Vom Roten Rathaus bis hinüber zur Straße Unter den Linden soll ab dem Jahr 2000 ein Tunnel gegraben werden, der unter dem Platz hindurch verläuft. Da der Standort als Baulogistikzentrum genutzt wird und die Tunnelgrabungen direkt an den Verfassern des Kommunistischen Manifests vorbeiführen, ist damit zu rechnen, dass Marx, Engels und die Stahlstelen mit Fotos der „Weltrevolution“ abgetragen werden.

Um das Verschwinden aus dem Stadtbild zu verhindern, fordert Thomas Flierl, PDS-Baustadtrat im Bezirk Mitte, deshalb vom Senat, erst dann die Genehmigung für das Baulogistikzentrum zu erteilen, wenn „der langfristige Erhalt“ der Bronzefiguren sichergestellt ist. Bisher sei vom Land keine verbindliche Aussage über die Zukunft der Plastiken gemacht worden.

Außerdem argwöhnt der Baustadtrat, dass die ungeliebten Sozialisten – auf dem Platz selbst oder an einem anderen Ort – mittelfristig für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich sein könnten. Dies, so Flierl, käme einem Akt der „politischen Säuberung“ von DDR-Geschichte gleich. Einen ähnlichen Umgang habe es mit Denkmälern und Straßenumbenennungen in Ostberlin zur Genüge gegeben.

Die Sorge Flierls ist nicht aus der Luft gegriffen, räumt doch die Bauverwaltung ein, dass „eine große Fläche benötigt wird, wo Maschinen und Material angeliefert“ werden können. Dennoch, erklärt Bausenator Klemanns Sprecherin Petra Reetz, sei an eine Schleifung des Denkmals nicht gedacht. „Das gesamte Ensemble ist auf die Denkmalliste gesetzt worden.“ Außerdem müsse der Bezirk die Ausschreibung für das Baulogistikzentrum abwarten. Erst dann werde man sehen, ob demontiert oder eingezäunt und abgesperrt werden müsse.

Warten will Flierl aber nicht. Für den Zeitraum der Grabungen – und zur Sicherung der Skulptur –schlägt der Baustadtrat vor, das Denkmal an der Spandauer Straße oder an der Karl-Liebknecht-Straße aufzustellen. Den Umzug der beiden alten Herren will er deshalb mit der Denkmalschutzbehörde abstimmen. Rolf Lautenschläger