Auf Augenhöhe  ■   Die SPD blickt der PDS ins Gesicht

Der Thüringer Wahlabend führte den Berliner Sozialdemokraten das Szenario für den 10. Oktober bedrohlich konkret vor Augen. General Münteferings Botschaft an die Parteifreunde vor Ort war deutlich: Wir haben das Morgen im Blick, eure Wahlniederlage von heute müsst ihr schon selbst in den Griff bekommen.

In der Hauptstadt würde ein SPD-Ergebnis, das in der Nähe des PDS-Resultats liegt, noch schmachvoller erscheinen. Mehr noch als vor vier Jahren wird dann in der Partei ein vielstimmiger Chor anheben, der in den höchsten Tönen die Wonnen der Opposition preist. Die SPD, so würde der Refrain lauten, könnte sich regenieren und genüsslich einer CDU-Minderheitsregierung zusehen, deren Wahlversprechen an den Klippen der Realität zerschellen

Doch das Modell der Minderheitsregierung, in Europa vielerorts praktiziert, hat sich im stabilitätssüchtigen Deutschland als wenig tauglich erwiesen. Einzig das Magdeburger Modell erwies sich als realitätstauglich – weil die PDS fest eingebunden, die Regierung nur zum Schein in der Minderheit war. Würde die Berliner SPD einem CDU-Minderheitssenat in ähnlicher Form die Treue halten, hätte sie nichts gewonnen: Für dessen Misserfolge wäre auch sie verantwortlich, während die Union mehr noch als bisher alle Erfolge auf ihrem Konto verbuchen könnte. Entzögen sich die Sozialdemokraten aber jeder Form von Mitverantwortung, dann würden sie von der CDU an den Pranger gestellt. Auf baldige Neuwahlen könnte die SPD daher nicht spekulieren – sie könnten der CDU zur absoluten Mehrheit verhelfen.

Eine SPD, die nicht mehr Stimmen auf sich vereint als die PDS, hätte freilich auch bei einer Neuauflage der Großen Koalition nichts zu lachen. Dass sie der CDU in der zurückliegenden Wahlperiode als gleichberechtigter Partner gegenübertrat, verdankte sie der zumindest theoretischen Option auf eine andere Mehrheit mit Grünen und PDS. Dass die Sozialdemokraten aber mit den Sozialisten ein Bündnis auf Augenhöhe eingehen könnten, braucht die Union nicht zu fürchten.

Aus diesem Dilemma gibt es nur einen Ausweg: ein Wahlergebnis, das zumindest auf dem Niveau von 1995 liegt. Ralph Bollmann