Absolute Sieger, relative Gewinner

■ Die CDU siegt und siegt – allerdings ohne in neue Wählerschichten vorzudringen

Berlin (taz) – Es gehört wenig dazu, um strahlender Sieger zu sein. Thüringens altem und neuem Ministerpräsidenten Bernhard Vogel reichten am Sonntag gegenüber der Landtagswahl 1994 1.500 zusätzliche Stimmen, um die CDU von 42,3 auf 51 Prozent zu katapultieren. Noch mehr Glück hatte vor einer Woche sein künftiger saarländischer Amtskollege Peter Müller. Obwohl die CDU im Saarland am 5. September im Vergleich zur 94er Wahl 12.000 Stimmen weniger erhielt, legte sie im Endergebnis um über 7 Prozent zu und errang die absolute Mehrheit der Sitze.

Es gibt keine konservative Wende in Deutschland. Der CDU gelang es nicht, bei den letzten vier Landtagswahlen in neue Wählerschichten einzubrechen. Im Saarland wechselten lediglich 1.200 ehemalige SPD-Wähler und 1.600 Grünen-Wähler zur CDU. In Hessen machten nur 3.000 SPD-Wähler rüber zur CDU.

Die auf den ersten Blick grandiosen Wahlsiege der CDU sind in erster Linie der Schwäche der SPD und der Grünen geschuldet. Ihnen gelingt es, im Gegensatz zur CDU, nicht mehr, ihre potenziellen Wähler zu mobilisieren. In Thüringen verlor die SPD die Hälfte ihrer Wähler – über 200.000. Die Grünen knapp 60.000. Nennenswert zulegen konnte nur die PDS, sie steigerte die für sie abgegebenen Stimmen um rund 18.000. Die dramatischen Einbrüche der Wahlbeteiligungen – in Thüringen von 74,9 auf 59,9 Prozent, im Saarland von 83,5 auf 68,7 und in Brandenburg von 56,3 auf 54,4 Prozent – hat in erster Linie die rot-grüne Koalition zu verantworten.

Im Saarland verlor die SPD 88.500 Stimmen an die Fraktion der Nichtwähler, die Grünen immerhin noch 11.800. Etwas differenzierter sah es am 5. September in Brandenburg aus. Da verlor die SPD 75.000 an die Nichtwähler, 43.400 an die PDS, 36.700 an die CDU und 23.000 an die DVU.

Dramatisch verlieren die Grünen und die SPD bei den jüngeren Wählern und bei den Arbeitern. Bei den unter 30-Jährigen betrug der Verlust der SPD im Saarland 13 und in Brandenburg 25 Prozentpunkte. Ähnliche Negativwerte erreichen die Sozialdemokraten nun in Thüringen.

Wer nun glaubt, die PDS könnte von der Flucht der Jungwähler profitieren, sieht sich indes getäuscht. Auch die PDS verlor in Thüringen bei den unter 30-jährigen Wählern – vier Prozent. Am erfolgreichsten ist die Nachfolgepartei der SED unter den über 60-Jährigen. Hier legte die PDS neun Prozentpunkte zu. Genausowenig wie die PDS kann die CDU aus dem Wahlfrust der Jungen Gewinn ziehen. Auch wenn sie in Thüringen wie bereits im Saarland und in Brandenburg kräftig zulegte – um dreizehn Prozent.

Es ist ein relativer Zugewinn, der auch in diesem Fall der niedrigeren Wahlbeteiligung geschuldet ist. In absoluten Zahlen gibt es keine nennenswerte Abwanderung der vom politischen Geschehen frustrierten Jungwähler zur CDU. Den Christdemokraten gelingt es im Gegensatz zur SPD und den Grünen lediglich, ihr Wählermilieu zum Urnengang zu bewegen. Wenn man denn nach Wahlsiegern unter den Jungen sucht, dann gibt es nur zwei: die Fraktion der Wahlboykotteure und natürlich die rechtsextremen Parteien wie die DVU und die NPD.

Eberhard Seidel