Münteferings Rezept: Hausbesuche

■  Der kommende SPD-Generalsekretär will renitente Wähler jetzt in deren eigenen vier Wänden vom Kurs der Sozialdemokraten überzeugen. Am rigiden Sparkurs der Bundesregierung will die SPD nicht rütteln

Berlin (taz) – Nachdem die Beschwörungsformeln aus der Berliner Parteizentrale nicht gefruchtet haben, setzt Franz Müntefering, designierter SPD-Generalsekretär und NRW-Landeschef, bei den WählerInnen jetzt auf Einzeltherapie.

Mit Hausbesuchen will er nach der Wahlniederlage in Thüringen und dem Debakel bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen den Leuten erklären, warum sie bei der Stichwahl in zwei Wochen unbedingt für die sozialdemokratischen OberbürgermeisterkandidatInnen stimmen sollen. „Jetzt müssen wir viel stärker auf die Mobilisierung des Einzelnen setzen“, sagte er. Nicht zuletzt angesichts der im Mai nächsten Jahres anstehenden Landtagswahl in NRW ist der Bundesgeschäftsführer der Meinung, dass auch für ihn jetzt eher Hausbesuche als Großkundgebungen angesagt seien – zumal diese zuletzt nur wenig Zulauf hatten. Der Kölner SPD, die ihren Oberbürgermeister-Kandidaten schon vor der Wahl wegen eines illegalen Aktiengeschäfts verloren hatte, empfahl er, für die OB-Kandidatin der Grünen zu stimmen.

Gebetsmühlenartig betonte Müntefering gestern, dass es zum Konsolidierungskurs der Bundesregierung keine Alternative gebe. Auch im Parteipräsidium sei nicht über eine Kurskorrektur gesprochen worden, sondern darüber, was von dem Zukunftsprogramm der Partei den Wählern bewusst geworden sei und was nicht. Mehrfach forderte er die Partei zur Geschlossenheit auf: „Die Menschen wollen keine Selbstfindungsgruppe, sondern eine klare politische Führung.“

Die wird der General aber so schnell nicht bekommen. Zwar halten die meisten Bundestagsabgeordneten am Regierungskurs stramm fest, doch gibt es innerhalb der Fraktion nach wie vor andere Therapievorschläge: Der linke Flügel lehnte die Sparpolitik der rot-grünen Koalition weiter ab: „Wenn die SPD die Partei der Neuen Mitte werden möchte, muss sie sich auch darauf einstellen, dass sie die Wahlergebnisse der bisherigen Partei der Neuen Mitte, nämlich die der FDP, bekommt“, sagte Uwe Hiktsch der taz und forderte einen „Kurswechsel“.

Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Reinhold Robbe, warnte dagegen vor einem Einschwenken. „Abgesehen von einigen ganz wenigen“ werde die Linie der Regierung in der Fraktion als „richtig und notwendig“ angesehen. Der NRW-Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz regt nach dem Debakel an Rhein und Ruhr an, „über Kürzungen bei Arbeitslosen noch einmal nachzudenken“. Er müsse in seinem Wahlkreis feststellen, dass „soziale Gerechtigkeit mit uns nicht mehr verbunden wird“.

Ob Müntefering seine Einzeltherapie auch bei den Landtagswahlen in Sachsen einsetzen will, hat er nicht verraten. Dort werden der SPD am nächsten Sonntag stolze 16 Prozent prognostiziert.

Karin Nink