Hilfsbedürftige im Controlling-Raster

■ In der Sozialverwaltung setzt man in Sparzeiten auf neues Kostenbewusstsein / Vorreiter: Der Bereich für psychisch Kranke

Gerhard Möhlenkamp findet das Gerede vom „sozialpolitischen Kahlschlag“ in Bremen „platt“. Er will nicht nur klagen, sondern die Sozialverwaltung „effizienter“ gestalten (siehe Kasten). Als Staatsbeamter müsse er eben akzeptieren, dass das Schuldenland Bremen nicht mehr so viel Geld hat. Der Mann ist keinesfalls knallharter Finanzpolitiker, sondern Mensch „vom Fach“: Er ist stellvertretender Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes, der psychisch kranke Menschen in Bremen versorgt. Kostenpunkt für seine Maßnahmen pro Jahr: rund 30 Millionen Mark.

Möhlenkamp schwimmt derzeit ganz oben auf der neuen Welle, die langsam in Bremens Ämter und Dienststellen schwappt. „Neues Denken“ soll dort Einzug erhalten – samt amtsdeutschen Zauberworten wie „Controlling“, „Budgetierung“ und „Kostenbewusstsein“. Denn fehlende Leistungs- und Preiskontrolle könne man sich nicht mehr leisten, findet Möhlenkamp: „Wir haben momentan nicht mehr Geld. Da muss man die Mittel eben verantwortlich verteilen“, sagt er – und „sehen, dass die wirklich Bedürftigen das Geld erhalten“.

Instrumente für diese neue Prämisse hat der Sozialpsychiatrische Dienst als eine der ersten schon erarbeitet. Die marktwirtschaftlich orientierten Krankenkassen hatten die Dienststelle auf Trab gebracht. Mittlerweile begleitet je ein großer Träger in den vier Bremer Versorgungsregionen psychisch kranke Menschen von der Klinik in betreute Wohnformen. Dafür bekommt er „das Geld nicht einfach wie früher unbesehen ausgezahlt“ – sondern er unterschreibt klare Leistungsvereinbarungen mit festen Preisen.

Statt loser Patienten-Gutachten gibt es jetzt neue standardisierte Bedarferfassungsbögen, die personenbezogene Hilfepläne ermöglichen. „Früher wurde einfach uneinheitlich ein Bericht verfasst“, erinnert sich Möhlenkamp. Jetzt sei „Leistungs- und Qualitätskontrolle“ möglich – und auch eine einheitliche Bewertungsgrundlage für den Hilfebedarf. Nun fehle nur noch die „zentrale Stelle, die alle Daten über den Hilfebedarf in ganz Bremen aufzeigt.“

Denn oberstes Ziel ist das gewünschte „Steuerungspotenzial“. „Wenn wir sehen, dass 50 Leute aus der Klinik zur Entlassung anstehen, müssen wir überprüfen, welche Patienten in weniger intensive Betreuungsformen überwechseln können“, erklärt der Leiter. Für diese Steuerung soll ein zentraler Dienst her, der sowohl die fachliche als auch die finanzielle Seite voll im Blick hat.

Davor aber haben Betroffenengruppen und freie Träger Angst. Sie beobachten schon jetzt, dass „es immer schwieriger wird, für Kranke hohe Betreuungsschlüssel zu erhalten“, sagt Jörg Utschakowski von der Bremer „Initiative zur sozialen Rehabilitation und Vorbeugung psychischer Erkrankungen“. „Schwierige Klienten“ wären so auf Dauer nicht in weniger betreuten Wohngruppen zu halten. Wenn die Krise kommt, ist der Weg zurück in die Klinik vorbestimmt.

Aber all das hält man im Sozialpsychiatrischen Dienst für „viel zu schwarz gemalt“ – wie auch die Ängste vom Arbeiter-Samariter-Bund, der im Osten die Versorgung gewährleistet. Dort befürchtet man ebenfalls, „dass die Zahl der Klinikaufenthalte steigt“ – weil es „viel mehr nach dem Platzangebot gehen wird als nach dem persönlichen Hilfebedarf – und dann irgendwann die mit dem Geld einfach mehr zu sagen haben“.

Ängste, die Möhlenkamp als „vorschnell“ bezeichnet. Noch könne man gar nicht nachweisen, ob tatsächlich in der Vergangenheit weniger hohe Betreuungen bewilligt wurden. „Diese Befürchtung entbehrt bisher jeder nachweisbaren Grundlage“. Und genau die will Möhlenkamp schaffen: Und so durch das Offenlegen von Kosten und Nutzen „zeigen, dass wir verantwortlich mit dem Geld umgehen.“ Und wenn „sich dann herausstellt, dass das Geld nicht reicht, werde ich selbstverständlich mehr Mittel einfordern.“ Und dann muss „eben die Politik entscheiden, wie viel Geld sie für psychisch kranke Menschen ausgeben will oder nicht.“ Katja Ubben