Kommentar
: Berlin ohne Haushalt

■ CDU-Muskelspiele im Wahlkampf

Noch vor einer Woche hatte Innensenator Eckart Werthebach (CDU) erklärt, beim Haushalt 2000 seien die Differenzen zwischen CDU und SPD „nicht unüberbrückbar groß“. Doch einigen konnten sich die Koalitionspartner gestern nicht. Der Senat hat sein selbst gestecktes Ziel, noch vor der Wahl einen Haushaltsentwurf vorzulegen, verfehlt. Dies ist eine Bankrotterklärung der Großen Koalition, die insbesondere der CDU anzulasten ist.

Das Kalkül der Union ist offensichtlich: Vier Wochen vor der Wahl will die CDU auf Kosten der SPD Punkte machen, indem sie sich als Besitzstandswahrerin profiliert. Innensenator Werthebach stellt sich gegen den Stellenabbau im öffentlichen Dienst und fordert außerdem 81 zusätzliche Stellen bei der Polizei. Als ob die 20.000 Berliner PolizistInnen die Sicherheit der Stadt nicht gewährleisten könnten, wenn ihre Arbeit etwas effizienter organisiert würde.

Auch die Forderung von Kultursenator Peter Radunski (CDU) nach einer Aufstockung des Kulturetats ist eine Shownummer. Unverfroren auch vor dem Hintergrund, dass der Bund in diesem Jahr zusätzlich 60 Millionen Mark für die Hauptstadtkultur spendierte, im nächsten Jahr werden es noch 40 Millionen Mark sein.

Doch Hauptsache, die CDU kann die SPD-Finanzsenatorin wieder als unnachgiebige Sparkommissarin anprangern. In einem Wahlkampf, der an der Frage der sozialen Gerechtigkeit entschieden wird, lässt die CDU die Muskeln spielen.

Und wo ist Eberhard Diepgen? Letzte Woche noch vermittelte er einen Kompromiß, dann tanzten Werthebach und Radunski wieder aus der Reihe. Kann sich der große Moderator in den eigenen Reihen nicht mehr durchsetzen? Oder lässt er den CDU-Senatoren als Agents provocateurs freie Hand?

Denn ernsthaft rüttelt auch die CDU nicht am Konsolidierungskurs der Finanzsenatorin. Hinter vorgehaltener Hand geben auch CDU-Politiker zu, dass nach dem Wahltag der Sparkurs weiterverfolgt werden muß. An Scheinheiligkeit ist das nicht zu überbieten.

Dennoch ist der gescheiterte Haushalt auch eine Niederlage für die Finanzsenatorin. Auch das ist ein von der CDU einkalkulierter Nebeneffekt. Dorothee Winden