Auf der Leinwand sieht man, was man sieht

betr.: „Überall Überväter – Eyes Wide Shut“, taz vom 9. 9. 99

Immerhin beruhigend, dass sich überhaupt noch jemand über einen Film aufregt. Während der allfällige Hollywood-Blödsinn nicht mehr weiter auffällt, provoziert Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“ wenigstens noch ein paar Emotionen.

Deshalb zunächst durchaus ein Kompliment an Marlene Streeruwitz, die es geschafft hat, auf einer ganzen taz-Seite einen völlig anderen Film zu beschreiben als jenen, den ich gesehen habe. Mir hatte niemand einen „dramatischen Thriller um Eifersucht und sexuelle Obsession“ versprochen, ich habe einfach zweieinhalb Stunden lang eine „Traumnovelle“ gesehen und das dann auch noch sehr spannend gefunden – obwohl ich eher kein „junger Mittelstandsmann“ bin. Um Erotik, da hat die Autorin recht, ging es eher am Rande, aber was das nun sein soll, die Erotik, darüber schweigt sie sich in ihrem Beitrag zumindest sehr ausführlich aus.

Kubrick (ihm kann's ja nun egal sein) und sein Film haben es nicht verdient, an irgendwelchen Erwartungen gemessen zu werden, die die Werbefirma beigesteuert hat. Was man im Kino tatsächlich sieht, ist ein irritierender Traum – und da spielt es nicht die geringste Rolle, dass die Vorlage im Wien der 20er-Jahre angesiedelt war. Die Leinwand ist nun mal keine Plattform für Psychologie-Lehrbücher. Das war schon immer so: Man sieht, was man sieht. Mehr nicht.

Uwe Künzel, Freiburg