■ Begründungen bleiben nebulös

Sparen ist unpopulär. Deswegen muss die Bundesregierung ihren Sparkurs gut begründen. „Heute wird fast jede vierte Steuermark für Zinsen ausgegeben. Der Schuldenberg ist unter der Regierung Kohl von 350 Milliarden Mark auf heute 1,5 Billionen Mark angewachsen“, klärte Bundesfinanzminister Hans Eichel im Juni den Bundestag auf. „Sparen ist für uns kein Selbstzweck. Damit der Staat nicht seiner Handlungsfähigkeit beraubt wird, müssen wir jetzt handeln“, sagte Eichel weiter. So weit, so gut.

Nur: Warum trifft es vor allem diejenigen besonders hart, die, wie es die grüne Bundestagsabgeordnete Annelie Buntenbach formulierte, „am Rande der Gesellschaft stehen, die keine Lobby haben“? Wer einen Blick in das zum Sparpaket gehörende Haushaltssanierungsgesetz wirft, wird schnell feststellen, dass der Bundesregierung genau da die Erklärungen ausgehen.

Besonders deutlich werden diese Argumentationsschwierigkeiten dort, wo es um die Arbeitslosen geht. „Die unumgängliche Sanierung des Bundeshaushalts erfordert die solidarische Kraftanstrengung der ganzen Gesellschaft. Zu den notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen müssen daher auch die sozialen Sicherungssysteme Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenhilfe einen Beitrag leisten“, heißt es zu Artikel 27 des Gesetzentwurfs.

Doch warum ausgerechnet die Arbeitslosen? „Seit dem Regierungswechsel stehen für die aktive Arbeitsmarktpolitik mehr Mittel zur Verfügung, damit Arbeitslosigkeit vermieden oder beendet werden kann“, lautet die Begründung. Kein Wort zu der noch immer nicht gesunkenen Arbeitslosenzahl. Die Reduzierung der Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitslosenhilfebezieher, der Verzicht auf die reale Erhöhung von Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld sowie die Streichung der Arbeitslosenhilfe für Personen, die bislang überhaupt nicht oder nur kurze Zeit als Arbeitnehmer tätig waren, lässt sich so nicht rechtfertigen.

Doch es gibt noch ein anderes Beispiel. In Artikel 9 des Gesetzentwurfs wird die Zahl der jährlich aufzunehmenden Spätaussiedler auf rund 100.000 festgeschrieben. Einerseits habe sich „der Ausreiseprozess von Spätaussiedlern aus den MOE- und GUS-Staaten deutlich verlangsamt“. Andererseits habe „die Entwicklung der letzten Jahre gezeigt, dass eine sozialverträgliche Integration von Spätaussiedlern eine jährliche Aufnahme von nicht mehr als rund 100.000 Spätaussiedlern voraussetzt“. Welches Argument nun das schwerwiegendere war, bleibt der Fantasie der Leser überlassen. Fest steht jedenfalls eines: Wenigstens zwei der im Haushaltssanierungsgesetz gelieferten Rechtfertigungen des Sparpakets stehen Rot-Grün schlecht zu Gesicht. co