Entscheiden Sachsen-Wahlen über Röstels Schicksal?

■ Nach den Niederlagen der Grünen gerät Vorstandssprecherin Gunda Röstel unter Druck. Bei den Wahlen in Sachsen am kommenden Sonntag steht sie auf Listenplatz eins

Berlin (taz) – Gunda Röstel hat sich schon halb weggedreht, und deshalb lässt sich nicht akkurat unterscheiden, ob sie „noch“ oder „doch“ gesagt hat. Es ist der Abend der Landtagswahlen in Thüringen. Unter dem Dach der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin treffen sich grüne Funktionäre. Die Zahl der Käse- und Wurstbrötchen übersteigt deutlich die Zahl der Anwesenden. Man tauscht Beileidsbekundungen aus.

Die Vorstandssprecherin Röstel hat ihr Statement vor einigen verloren wirkenden Fernsehkameras hinter sich, da wird der 37-Jährigen noch eine Frage hinterhergeworfen. Ob die anhaltenden Niederlagen nicht ihre Position als Parteichefin gefährden? „Ich heiße doch nicht Wolfgang Gerhardt“, ist zu verstehen, oder eben: „Ich heiße noch nicht Wolfgang Gerhardt.“

Seit Wochen ist die Rede von einem Rücktritt Wolfgang Gerhardts als FDP-Vorsitzender – so desaströs sind die Wahlergebnisse seiner Partei im Saarland, in Brandenburg und jetzt wieder in Thüringen. Um die Grünen war es in all diesen Urnengängen nicht besser bestellt. Auch sie schafften in keinem Fall den Sprung über die fünf Prozent. Am kommenden Sonntag, bei der Landtagswahl in Sachsen, steht Röstel auf Listenplatz 1. Aller Voraussicht nach wird sich das Debakel der Grünen wiederholen. Spätestens dann könnte Gunda Röstel zum grünen Wolfgang Gerhardt werden.

„Ich stehe als Spitzenkandidatin in der Mitverantwortung“, heizt sie im Dachgeschoss der Böll-Stiftung die Spekulationen an. Und weil sich nur wenige Journalisten am Sonntagabend dorthin verirren, wird sie am Montag auf einer Pressekonferenz noc hmal nachlegen: Sie trage eine „besondere Verantwortung, vor der ich mich im Fall der bitteren Niederlage auch nicht drücken werde“. Seitdem rätselt die Partei, was die 37-Jährige dazu gebracht hat, öffentlich mit der eigenen politischen Zukunft zu spielen.

„Dadurch wird sie angreifbar“, fürchtet die Bundestagsabgeordnete Antje Hermenau, die auch aus Sachsen kommt. Dort liegen die Grünen den Umfragen zufolge bei 3 Prozent. Nach 4,1 Prozent bei der Wahl 1994 ließe sich das Ergebnis nur als Niederlage werten. „Da hat sie sich selbst eine Hürde aufgebaut, die gar nicht nötig war.“

Auch Matthias Berninger, Bundestagsabgeordneter und Realo wie Röstel, springt ihr bei: „Ich halte es für falsch, dass Gunda Röstel das alles auf ihre Kappe nimmt.“ Wer jetzt in der Partei „schon über die Erbmasse redet, sollte sich zurückhalten.“

Dass nicht alle in der Partei mit Röstel glücklich sind, ließ sich am Abend in der Böll-Stiftung beobachten. Die Parteichefin hatte vor den Kameras die jüngste Niederlage weggeredet, wie Politiker das eben tun. Da durfte die Klage nicht fehlen, grüne Positionen hätten sich nicht hinlänglich vermitteln lassen.

Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer stand am anderen Ende des Saals und grollte. Die ewigen „Ausreden über Kommunikationsdefizite“ reichten nicht aus. „Keine vernünftige Strategie“ habe die Bundespartei und „es ist uns im letzten halben Jahr nicht gelungen, das zu Stande zu bringen.“ Ausdrücklich nahm er die ostdeutschen Landesverbände von der Verantwortung für die Niederlagen in Brandenburg und Thüringen aus. Schuld, soll das heißen, hat die Bundespartei. „Es ist kein Generalurteil“, fügte der Geschäftsführer hinzu – und schloss mit einer Warnung: „Da gehört das Ergebnis der Landtagswahl in Sachsen dazu.“ Patrik Schwarz