Daumenkino

■ In Heaven

Bislang fiel der 42-jährige österreichische Regisseur Michael Bindlechner vor allem als Werbefilmer auf. Nun hat er seinen ersten Spielfilm gemacht: „In Heaven“ erzählt in klaren Bildern von einer Dreiecksgeschichte in einer langweiligen österreichischen Stadt und der Sehnsucht nach dem Weg-von-hier.

Der 17-jährige Csiwi (Xaver Hutter), ein sympathischer junger Mann mit einem gewissen Talent für Automotoren, weiß nicht so recht, was er anfangen soll mit seinem Leben. Ab und zu klaut er den Mercedes eines Schrotthändlers, um damit Spritztouren zu unternehmen. Bei einem seiner nächtlichen Ausflüge begegnet ihm Valeska (Sylvie Testud), eine selbstbewusste, schöne junge Arbeiterin, die grad beim Trampen ist. Sie belächelt den unerfahrenen Csiwi und nimmt ihm nicht ab, dass ihm das Auto gehöre. Er fährt sie nach Haus. Sie vergisst ihre Handtsche in dem Auto. So trifft er sie wieder und sagt schüchtern, er würde ihr Portemonnaie nur zurückgeben, wenn sie seine Freundin werden würde. In einer Mischung aus Überlegenheitsgefühl und Neugier geht sie darauf ein.

Zur gleichen Zeit lernt Csiwi auch Lewi (Merab Ninidze), einen jungen Kühlhausarbeiter, kennen. Sie werden Freunde und sprechen über Leben und Tod in trist-melancholischen Vorstadtlandschaften an der Autobahn. Die Gespräche gehen ins Existenzielle, denn Lewis Eltern sind gerade gestorben. Sätze fallen, die man sich gut merken kann: „Ich weiß, wie man kämpft, aber manchmal bin ich mehr fürs Verschwinden.“

Auch Valeska möchte weg. Sie hat sich schon ein Ticket nach Mexiko gekauft. Am Tag vor dem Flug finden die drei zusammen und landen, wie der Zufall es will, bei einer Zigeunerhochzeit mit wilder Musik und viel zu trinken und bilden fortan ein Trio, denn der Flug nach Mexiko fällt aus: Valeska hatte sich ein Ticket andrehen lassen, das längst verfallen ist.

Um Geld für einen neuen Flug zu besorgen, drehen Csiwi und Lewi ein krummes Ding. Zeitgemäß verkaufen sie Fleisch, das wegen Fleischberg verschrottet werden sollte. Dann trennen sich die Wege: Lewi stirbt im Kühlhaus, Valeska fliegt nach Mexiko, und Csiwi bleibt, um ein paar Erfahrungen reicher, zu Haus.

„In Heaven“ ist zwiespältig. Einerseits geschieht immer das Naheliegendste, da hilft es auch nicht, dass die Schauspieler überzeugen; andererseits sind die Bilder oft unangestrengt melancholisch und schön, mit Sinn fürs dokumentarische Detail in den Alltagspassagen. Selten gab es in deutschsprachigen Spielfilmen so überzeugende Bilder aus der Produktion (Küchen und Kühlhäuser), von Schrottplätzen oder Radios, die auf Waschmaschinen wackeln, und von sehnsüchtigen Edward-Hopper-lookalike Stadtlandschaften.

Detlef Kuhlbrodt
‚/B‘ „In Heaven“. Regie: Michael Bindlechner. Mit Xaver Hutter, Sylvie Testud, Merab Ninidse u. a. Österreich 1998, 102 Min.