Vorfahrt für lahmsten Zug im Land

■  Neue Computer-Ampelsteuerung verkürzt oder vermeidet Wartezeiten für Straßenbahn. Investitionen von 80 Millionen Mark. SPD: Hätte man schon vor zwei Jahren haben können

Das ist kein Ehrentitel: Die Hauptstadt hat die lahmsten Straßenbahnen der ganzen Republik. Der Hauptgrund dafür ist nicht veraltete Technik, sondern zu lange Wartezeiten an den Ampeln. Das macht die Bahnen langsam und für Fahrgäste unattraktiv.

Deshalb hat das Abgeordnetenhaus vor drei Jahren beschlossen: Straßenbahnen sollen in der Hauptstadt eine Vorrangschaltung erhalten. Das heißt, die Tram hat überall Vorfahrt, auch wenn die Autos nebenan an der Kreuzung halten müssen. Mit der so erzielten Schnelligkeit der Straßenbahnen sollte der Öffentliche Personen-Nahverkehr (ÖPNV) den umweltschädlichen Autoverkehr etwas zurückdrängen.

Wenige Wochen vor dem Wahltermin meldete Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) gestern für ein Teilstück der Straßenbahnlinie 6 Vollzug: Experten der BVG und seines Hauses haben ein „Steuerungssystem für Lichtsignalanlagen“ entwickelt, das die Trams schneller durch die Stadt kommen lässt. Computergesteuerte Ampeln ermöglichen es, dass sich die Straßenbahnen nun in die „Grüne Welle“ einfügen.

Im wesentlichen funktioniert das so: Die Straßenbahn funkt, wenn sie an bestimmten Punkten auf ihrer Strecke vorbeikommt, ein Signal an die nächste Ampel. Sollte die gerade auf Grün stehen, wird die Grünphase solange verlängert, bis die Tram über die Kreuzung gefahren ist. Steht die Ampel auf Rot, wird die Rotphase verkürzt.

Auf der gestern vorgestellten 16 Kilometer lange Strecke verringert sich so die Fahrzeit von 52 auf 46 Minuten. Wegen der kürzeren Fahrzeiten braucht die BVG weniger Straßenbahnen. Weniger Trams müssen angeschafft werden, bei den Betriebs- und Unterhaltungskosten gibt es Ersparnisse in Millionenhöhe. Doch dafür musste die BVG investieren. So wurden allein für diese Strecke unter anderem 19 alte Ampeln ersetzt. Kosten insgesamt: 15,6 Millionen Mark. Bis Ende 2001 sollen etwa 220 Ampeln auf gut einem Dutzend Linien mit der Vorrangschaltung für die Trams ausgerüstet werden. Das kostet etwa 80 Millionen Mark, wie der BVG-Betriebsvorstand Hans-Heino Dubenkropp erklärte.

Der Verkehrsexperte der Berliner SPD, Christian Gaebler, kritisierte jedoch, schon vor zwei Jahren wäre es möglich gewesen, die so modernisierte Strecke zu eröffnen. Wegen des Widerstands von Gegnern des Projekts in der Verkehrsverwaltung habe die Verwirklichung des Abgeordnetenhaus-Beschlusses so lange auf sich warten lassen. In dieser Zeit hätte man viel Geld sparen können. Philipp Gessler