Koalition entmachtet Bezirke

■  Der Senat kann sich bei Bauprojekten künftig leichter über das Votum der Bezirke hinwegsetzen. Auch beim Flächennutzungsplan werden die Rechte der Kommunalpolitiker durch das neue Gesetz beschnitten

Der Bausenator kann künftig leichter bei Bauprojekten in den einzelnen Bezirken die Federführung übernehmen, wenn diese eine gesamtstädtische Bedeutung haben. Dies hat hat am Mittwoch der Bauausschuss mit den Stimmen von SPD und CDU beschlossen. Das im Eiltempo beratene Gesetz soll am 23. September, in der letzten Parlamentssitzung vor der Wahl, vom Abgeordnetenhaus verabschiedet werden.

Nach Ansicht mehrer Baustadträte aus den Bezirken ist dieses Ausführungsgesetz zum Baugesetz eine Teilentmachtung der Bezirke. Der Bausenator könne bei „dringendem Gesamtinteresse“ oder einer „außergewöhnlichen stadtpolitischen Bedeutung“ die Federführung bei Bauvorhaben übernehmen. „Das ist ein Gesetz, um missliebige Entscheidungen von einzelnen Bezirken auszuhebeln“, sagte die Charlottenburger Baustadträtin Beate Profé, Bündnis 90/Die Grünen.

Die grüne Abgeordnete Claudia Hämmerling spricht von „unglaublichen Schweinereien“, die in dem Gesetz stünden, das die Mitglieder des Abgeordnetenhauses zudem nur eine Woche vor seiner Verabschiedung vorgelegt bekommen hätten. „Wir sollten vermutlich keine Gelegenheit mehr haben, die Mogeleien zu finden.“ Die neue Linie sei offenbar: „Alle Macht dem Senat“, konstatiert Hämmerling. Diese Tendenz laufe den vollmundigen Äußerungen des Senats entgegen, die bei der Verabschiedung des Verwaltungsreformgesetzes Mitte vergangenen Jahres zu hören waren. Damals stand die Stärkung der Bezirke im Vordergrund.

„Diese Formulierungen sind so schwammig, dass sie auf alles angewendet werden können“, befürchtet Hämmerling. Gleichwohl konnte der Senat auch bisher in Ausnahmefällen aus übergeordnetem Interesse eingreifen. Bei der Bebauung des Teufelsbergs vor zwei Jahren hatte der Senat von diesem Recht Gebrauch gemacht.

Der Leiter der Abteilung Bauleitplanung in der Senatsbauverwaltung interpretiert das neue Gesetz hingegen als Machtverlust des Bausenats: „Für uns ist das eine Katastrophe, da es uns weniger Handhabe lässt.“ Jetzt müsse bei der „außergewöhnlichen stadtpolitischen Bedeutung“ auch der parteipolitsch querbeet besetzte Rat der Bürgermeister angehört werden, beim „dringenden Gesamtinteresse“ auch das Abgeordnetenhaus.

Aber auch der Flächennutzungsplan soll in Zukunft durch den Senat ohne Zustimmmung des Abgeordnetenhauses einfacher verändert werden können. Und zwar dann, wenn die „Grundzüge der Planung“ nicht verändert werden. Nach der Gesetzesänderung ist künftig für Ersatzmaßnahmen, die als Ausgleich bei Bauprojekten durch die Anpflanzung von Bäumen geleistet werden müssen, nicht mehr der Senat für Stadtentwicklung, sondern der Bausenat federführend.

Der Schöneberger Baustadtrat Gerhard Lawrentz (CDU) versteht die Aufregung seiner Kollegen nicht, da der Senat unter bestimmten Bedingungen auch bisher Projekte an sich ziehen konnte. „Wenn da ein wichtiges Investitionsvorhaben für Berlin ist und der betroffene Bezirk blockt, dann finde ich es richtig, dass der Senat die Hoheit der Genehmigung an sich ziehen kann.“ Annette Rollmann