Heinz Bude, die Soziologie der Neuen Mitte    ■ Von Wiglaf Droste

Kopf oder Bundesadler, das ist die bange Frage, die sich das rot-grüne Personal stellt. Viele haben sich gegen den Kopf entschieden. „Scharping trägt an der Last des Ältesten, der an Stelle des Vaters Sorge für seine Geschwister zu tragen hat. Das ist keine freudig gewählte Aufgabe, sondern eine Obligation natürlicher Vergemeinschaftung. Als psychodynamische Führungsfigur verkörpert Scharping die Transformation der großen patriarchalischen Brüderlichkeit in eine kleine, aber unnachgiebige Geschwisterlichkeit.“ Das hat der Soziologe Heinz Bude geschrieben, und die Süddeutsche Zeitung hat es gedruckt. Bude, entschiedener Propagandist der Berliner Republik, repräsentiert die Soziologie der Neuen Mitte: Exakte Deskription und Analyse der Verhältnisse und ihrer Protagonisten sind geknickt, an ihre Stelle tritt der Euphemismus, die uneingeschränkte Affirmation des Vorgefundenen. Weil allzu offenes Claquieren aber anstößig wirkt, werden die Banalitäten im Jargon des Erhabenen vorgetragen.

Manchen gefällt das. „Bude, ein Soziologe, der schreiben kann“, lobt die Zeit. Was sein Laudator Helmut Dubiel mit schreiben können meint, macht der umtriebige Heinz Bude in der FAZ klar: „Es ging um die Abstoßung von einem totalen Block aus Technologie und Humanismus, um Raum für eine Idee des Politischen zu gewinnen, der die Möglichkeit, Nein zu sagen oder doch anders zu denken, eröffnen sollte“, fasst Bude einen Aufsatz von Habermas über Marcuse zusammen. Mark Twains Ende des 19. Jahrhunderts geschriebene Parodie auf die deutsche Sprache klingt ähnlich. Was Bude in seinem Spreiz- und Sprinklerdeutsch mitteilen möchte, erscheint zunächst geheimnisvoll: „Otto Schily gewinnt Glaubwürdigkeit aus Undurchsichtigkeit und Uneindeutigkeit.“ Will sagen: Der Anthroposoph Schily ist okay, verfügt er doch über eine „universalistische Werteverpflichtung“. Zu was aber verpflichtet Rudolf Steiners Weleda-Probiertisch seinen Propagandisten Otto Schily? Zum Abschieben mit Todesfolge? Egal. Regelrecht vernarrt ist Heinz Bude in Joseph Fischer. „Noch einmal beweist ein Flüchtlingskind, wie man durch Einsatz, Umsicht und Instinkt sein Ziel erreichen kann.“ Verklärender ist das Durchsetzungsverhalten eines politischen Metzgers selten beschrieben worden. Schon bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Perspektiven einer Berliner Republik“ geriet Bude beim Thema Fischer ganz aus dem Häuschen. „Joschka Fischer ermöglicht neues Denken!“, rief er emphatisch. Die „Berliner Republik“, jubelte Bude, sei ein „Optionsraum“, in dem Intellektuelle wie er „Stichworte“ geben könnten – Stichworte wie Optionsraum wahrscheinlich. In genau dieser „Berliner Republik“, schnappte Bude, suche man nach „Lösungen, die man auch wieder verwerfen kann“. Wie praktisch.

Über den Kampfparvenü Gerhard Schröder als Kriegskanzler schreibt Bude: „Wo Schröder auf eine bundesrepublikanische Weise deutsch ist, nämlich in seinem Willen, als Kellerkind der Nazizeit nach oben zu kommen, konnte er sich jetzt im Ernstfall bewähren. Es ist dieses Bewährungserlebnis, das ihm die historische Chance bietet, eine Geschichte der Getriebenheit in eine Geschichte des Abkommens zu verwandeln.“

Es war einmal: eine Soziologie.