„Diaspora ist für mich ja Normalzustand“

■ Deutschlands beste Basketballerin Marlies Askamp über den heute beginnenden Bundesliga-Alltag, die bunte Abwechslung USA und die entscheidenden Unterschiede zwischen hier und dort

taz: Sie haben den Trubel in der WNBA mitbekommen und müssen nun zurück ins basketballerisch graue Deutschland. Wie geht es Ihnen dabei?

Askamp: So schwierig ist das nicht. Diese Basketball-Diaspora ist für mich ja der Normalzustand, den ich seit zehn Jahren kenne. Die drei Monate in den USA sind eine schöne Abwechslung, ein schöner Ausflug vom Alltag. Aber ich denke schon mal, wenn ich wieder vor 150 Leuten spiele: Vor 10.000 zu spielen war schöner.

Was sollte man vom WNBA-Konzept importieren?

Es ist schwierig, weil die WNBA ganz andere Voraussetzungen hat. Das fängt schon mit den Hallen an und damit, dass Basketball in den USA eine andere Tradition hat. Wenn man sieht, wie amerikanische Fernsehsender das Spiel präsentieren, das ist etwas ganz Anderes, als wenn das der WDR oder auch das DSF machen. Wenn man eben nur eine Kamera in die Mitte stellt und die dann hin und her schwenkt, dann sieht das halt nicht so toll aus. Dabei ist das Produkt Basketball bei Männern wie Frauen in Deutschland gar nicht so schlecht. Man müsste aber erst mal ins Marketing investieren, um den Leuten den Sport zugänglich zu machen.

Haben Sie Hoffnung, dass da demnächst noch was passiert?

Nein.

Auch bei Ihrem Club BTV Wuppertal tut sich nichts?

Die haben ganz schön zu kämpfen. Wir haben in den beiden letzten Jahren nur ein einziges Spiel in der Bundesliga verloren, und wir kranken einfach daran, dass die Leute zu verwöhnt sind. Die kommen, wenn sie wissen, dass es knapp werden könnte, aber das sind drei von 20 Spielen. Dazu kommt das Desinteresse des Fernsehens selbst an der Europaliga: Es ist doch frustrierend, wenn mich nach den Final Four ein Freund anruft, um mir zu erzählen, dass er mich im Skiurlaub in Norwegen im Fernsehen gesehen hat, obwohl gar kein norwegisches Team mitgespielt hat. Bei uns heißt es: Wenn ihr ins Endspiel kommt, zeigt's vielleicht der WDR. In allen anderen Ländern Europas aber wird live übertragen. Das ist dann schwer nachzuvollziehen.

In der WNBA wird aber auch attraktiver gespielt. Warum? Viele WNBA-Spielerinnen waren und sind in Europa angestellt.

Man darf nicht unterschätzen, dass diese Spielerinnen als Ausländerinnen in europäischen Ligen verpflichtet sind, pro Spiel mindestens 20 Punkte zu machen. Also sind sie gewohnt, sich ihre Schüsse zu nehmen, wann und wo sie wollen. In der WNBA sind sie viel mehr in die Teams eingebunden und konzentrieren sich als Rollenspielerinnen auf ihre Stärken. Außerdem sind im Durchschnitt die Spielerinnen einfach besser als hier, sind schneller und springen höher. In Europa hat man vielleicht zwei von dem athletischen Kaliber im Team, in der WNBA dann aber fünf.

Aber muss es dann drüben nicht auch eine ganz andere Coaching-Philosophie geben?

Das ganze Spiel ist schneller, aber es wird taktisch nicht so tief gegangen, schon weil die Saison nur drei Monate lang ist. Da ist kaum Zeit, etwas einzuüben. Wir spielen schon Systeme, aber in der WNBA wird eben nicht die vierte Option genommen, sondern die zweite. Allerdings bist du als Trainer auch darauf angewiesen, was dir als Spielermaterial zur Verfügung steht. Wenn du einen Point Guard hast, dessen Stärke das Penetrieren ist, der den Ball aber nicht schnell nach vorne bringen kann, dann ist es schwierig, Fastbreaks zu spielen.

In der Bundesliga gibt es nur eine Trainerin, in der WNBA sind prozentual viel mehr Frauen engagiert. Spürt man da einen atmosphärischen Unterschied?

Mir ist es grundsätzlich egal, wenn ich ehrlich bin. Ich habe aber auch nie große Unterschiede festgestellt, denn sowohl in Wuppertal als auch in Phoenix wurde jeweils vor allem professionell gearbeitet.

Wird in der WNBA denn grundsätzlich anders trainiert als in der Bundesliga?

Nein. In Amerika wird so gut wie jeden Tag Kraft trainiert, aber das auch nicht mehr während der Saison. Das Trainingscamp ist für die Veteranen sowieso nur eine Woche lang, es wird vorausgesetzt, dass du da fit ankommst. Wir trainieren in Wuppertal eher mehr, weil in der WNBA öfter gespielt wird. Aber das ist nicht repräsentativ für die Bundesliga, da nur in Wuppertal und vielleicht noch Aschaffenburg richtig professionell gearbeitet wird.

Für altgediente Spielerinnen gibt es ein Mindestgehalt von 30.000 Dollar. Lohnt sich das überhaupt finanziell für Sie?

Das lohnt sich, weil ich in Wuppertal nicht weniger Geld kriege, wenn ich drüben spiele. Und ich verdiene hier keine zwei Millionen, dass ich sagen könnte, auf die 50.000 kann ich gut verzichten.

Haben Sie in der WBNA denn etwas gelernt, das Ihnen in der Bundesliga hilft?

Weniger in der Bundesliga als in der Europaliga. In der Bundesliga werden wir ja nicht so richtig gefordert. Man wird ein bisschen faul, wenn man vorher weiß, man gewinnt das Spiel, es geht nur noch darum, ob mit 20 oder 30 Punkten Vorsprung. In der WBNA hat man jeden dritten oder vierten Tag ein Spiel, bei dem man hundertprozentig da sein muss. Wie man sich im Kopf immer wieder vorbereitet, das schaut man sich ab.

Wo ist der Abstand größer zwischen USA und Europa – bei den Männern oder bei den Frauen?

Ich glaube schon bei den Männern. Obwohl ... schwer zu sagen.

Anders gefragt: Würde jedes WNBA-Team die Europaliga gewinnen?

Jedes nicht. Eins von den vier besten Teams in Europa könnte wohl mitspielen in der WNBA. Die würden die Liga nicht gewinnen, aber ich glaube auch nicht, dass sie chancenlos wären.

Interview: Thomas Winkler