Traumabewältigung, 1. Sitzung

„Irrer Schmerz“: Nach dem mühseligen 2:1 gegen PSV Eindhoven wartet man in München weiter tapfer auf die Rückkehr des alten FC Bayern    ■ Aus München Gerald Kleffmann

Es war kurz nach 23 Uhr am Mittwochabend, da trat Uli Hoeneß mit breitem Grinsen und rotem Kopf aus der Spielerkabine des FC Bayern München und stolzierte gemächlich zur wartenden Medienschar hinüber. Sofort stürzte sich ein Vertreter der Radiozunft auf ihn und begann, das Mikrofon vor dem Mund haltend, mit der Arbeit. „Vor mir steht Uli Hoeneß, Manager des FC Bayern München“, teilte der Reporter seinen Hörern mit. Uli Hoeneß aber ist ja ein Mensch, der besonders gut gelaunt ist, wenn sein Verein gewinnt. Also unterbrach er den Mann und sagte grinsend: „Das weiß ich selber!“

Rund eine halbe Stunde zuvor hatte sein FC Bayern das erste Spiel in der neuen Champions League-Saison gewonnen, 2:1 gegen PSV Eindhoven. Da kann man schon selbstbewusster sein, dachte sich wohl wieder Hoeneß. Zumal sich der Manager in seinen Äußerungen der letzten Zeit bestätigt sah. „Wie ich zuletzt immer sagte“, lobte sich Hoeneß, „mogeln wir uns gerade durch. Wir gewinnen, das ist die Hauptsache.“ Pause. „Bald können die Zuschauer aber den alten FC Bayern sehen.“

Und der jetzige FC Bayern, wie sieht der aus? Eher enttäuschend. Zumindest für seine Fans. Zwar gewannen die Münchner nach Unterhaching und Duisburg ihr drittes Pflichtspiel in Folge, so richtig zufrieden ist trotzdem keiner. Weder die Fans noch die Profis. Nur 30.000 Zuschauer wollten die zur Traumabewältigung von Barcelona hoch stilisierte Partie im Olympiastadion sehen. Das ist wenig. Diese Tatsache findet aber anscheinend ihre Ursache in der momentan fehlenden Attraktivität des FC Bayern. Uli Hoeneß jedenfalls sagt: „Wir spielen zwar effizient, aber nicht gut.“ Und Stefan Effenberg sagt: „Wir müssen mehr Druck auf den Gegner ausüben.“ Übersetzt heißt das: mehr stürmen, mehr schießen, mehr Tore machen. Genau das zeichnet den Deutschen Meister derzeit nicht aus. Eher das Gegenteil. Gegen Eindhoven gelang lediglich in der letzten Viertelstunde so etwas wie offensiver Fußball.

Zugegeben, die Holländer bemühten sich auch nicht besonders um Ergebnisänderung und präsentierten nur das Sturmduo Nilis/van Nistelrooij zum Kontern. Das Spiel fand überwiegend zwischen den Strafräumen statt. Nur nicht darin. Im Fachjargon sagt man in solchen Situationen: Die Mannschaften tasten sich ab. Allerdings gilt diese Phrase meist für die ersten zehn Minuten eines Spiels, hier dauerte es eine ganze Stunde.

Dann immerhin ging es los. Paulo Sergio schoss per eingeflogener Hacke seinen zweiten Treffer, aber musste mit einer Beckankammprellung vom Feld getragen werden, weil ihm Sammy Kuffour beim Jubeln mit dem Knie in die Hüfte gesprungen war. Von nun an tat sich was, Bayern musste den Sieg verteidigen gegen Eindhoven, das am Ende wie beim Eishockey Powerplay spielte. Aber die Münchner zeigten, dass sie seit Manchester wenigstens gelernt haben, wie man einen Ball kompromisslos aus der Gefahrenzone drischt. Das war zwar weder schön noch technisch anspruchsvoll. Aber es half.

Was folgte, war Erleichterung. Trotz oder wegen der schwachen Leistung. Sergio, bei dem der „irre Schmerz“ wieder nachgelassen hatte, registrierte ein „super Gefühl“. Mehmet Scholl stellte fest, nur das Ergebnis zähle und da müsse man sich „keine Krise einreden“, und sein Trainer Ottmar Hitzfeld war einfach „glücklich über den glücklichen Sieg“. Rummenigge hofft nun, man werde an den Aufgaben wachsen und bald „in Schwung kommen“. Treffender war da die Aussage von Eric Gerets. „Wenn wir das 2:1 machen, loben mich alle“, meinte der PSV-Trainer, „jetzt aber sagen viele: So ein Scheißtrainer.“ Nachdem das Gelächter abgeklungen war, fügte er hinzu: „Bei einem 2:2 wäre niemand böse nach Hause gegangen.“ Das stimmt. Außer Uli Hoeneß natürlich. Denn wie der reagiert, wenn sein Verein nicht gewinnt, weiß man ja.

FC Bayern München: Kahn - Matthäus - Andersson, Kuffour - Strunz, Jeremies, Effenberg, Lizarazu - Scholl (88. Salihamidzic), Santa Cruz (68. Jancker), Sergio (79. Zickler)

PSV Eindhoven: Waterreus - Vogel, Dirkx (77. Bruggink), Faber, Heintze - Iwan, Nikiforow (82. Bouma), van Bommel, Chochlow - van Nistelrooy, Nilis

Zuschauer: 30.000

Rot: Van Bommel (90.) wg. Tätlichkeit

Tore: 1:0 Sergio (11.), 1:1 Chochlow (59.), 2:1 Sergio (69.)