Bedröhnter Cyberspace

Drogenbestellung im Internet, wirklich ein Kinderspiel?  ■   Von Ole Schulz

Tiefe Weiten und ungeahnte Möglichkeiten: „Ganz offen“ würden Drogen im Internet verkauft, wird im UN-Drogenreport 1998 moniert. Ohne Schwierigkeiten könnten Anleitungen für die Herstellung neuer Designerdrogen gefunden werden. Auch andere illegale Substanzen würden „unverhohlen und bei geringem Risiko“ verkauft, schimpft der Internationale Suchtstoffkontrollrat in Wien.

Die Internet-Zeitschrift tomorrow machte im Juni die Probe aufs Exempel: Sieben berauschende Mittelchen orderte das Magazin des Hamburger Milchstraßen-Verlags über das Internet. Das Resultat: Die Bestellung sei „kinderleicht“, bezahlt wird per Kreditkarte, die Lieferung kommt per Post ins Haus. Zu den Drogen, die tomorrow bestellte, zählen psychedelische Pilze, Ephedrin und Stechapfel; bei einer südafrikanischen Homepage wurde sogar das Antidepressivum GHB gefunden, das inzwischen als Liquid Ecstasy bekannt ist und in Deutschland nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fällt. „Die Polizei muss nicht mehr in dunklen Parks nach Drogendealern suchen, sondern im Netz“, so tomorrow.

Ein bisschen reißerisch. Und ganz so einfach ist die Wirklichkeit auch nicht: Nicht nur, dass immer noch die meisten „Drogen“ in Europa und den USA legal als Psychopharmarka verschrieben werden; auch müssen die entsprechenden Web-Adressen erst einmal gefunden werden, und risikolos ist die Bestellung keinesfalls: Weil die meisten Drogen nur über ausländische Links geordert werden können, müssen sie an den argwöhnischen Augen der Zollbeamten vorbei, bevor die Postsendung unbeschadet ins Haus kommt. Verdächtig seien besonders die Lieferungen der Kurierdienste, so ein Sprecher des Zollkriminalamts. Auch die gängige Vorstellung das Internet sei ein „anonymes Medium“ ist falsch, sagt Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club. So gibt es für jeden Anbieter im Netz eine sogenannte IP-Adresse, die eine „eindeutige Identifizierung“ beim Provider erlaubt. Allerdings dürfen diese Zahlencodes bislang nur kurze Zeit gespeichert werden.

Der entsetzte Tonfall des tomorrow-Berichts wundert auch, wenn etwa Hanf mit zwei Totenköpfen als „gefährlich“ eingestuft wird. Doch so wie noch nie jemand an einem Joint gestorben ist, so bekommt, wer will, fast jede Droge – solange die Nachfrage das Angebot bestimmt. Und im Internet tauschen sich Drogenfreunde immerhin auch über Gefahren und Nebenwirkungen aus, zum Beispiel in Foren wie Lycaeum (www.lycaeum.org). Man lerne etwas über die Stoffe, zitiert auch tomorrow einen Konsumenten: „Nicht wie normale User nach dem Motto: ,Immer rein innen Kopp‘.“

In den USA denken einige Senatoren schon in eine andere Richtung: Nach ihrem Gesetzesvorschlag soll es verboten werden, Informationen über illegale Drogen im Internet zu verbreiten. Auch Journalisten dürften dann nicht mehr über die Drogenkultur berichten – ein Verweis auf die Sites eines Magazins wie High Times (www.hightimes.com) oder die „Kiffer“-Suchmaschine Yahooka (www.yahooka.com) soll mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden.