Der kalte Krieger

■  Das tschechische Fernsehen wiederholt eine Propagandaserie. Die TV-Nation ist gespalten: Ist das nun Kult oder gefährlich?

Prag (taz) – Er hat sie alle gejagt, gestellt, geschnappt, die bösen Feinde von Sozialismus und Vaterland: Nonnen, Drogenabhängige, Rockmusiker – von westlichen Spionen ganz zu schweigen. Keiner von ihnen konnte seinem scharfen Sinn, seinen flinken Beinen und seinem Glauben an das System entgehen. Jan Zeman, von Berufs und Berufung wegen Major der tschechoslowakischen Staatssicherheit,war der homo sozialisticus schlechthin.

Dreißig Mal brachte Major Zeman in den siebziger Jahren den Staatsfeind allwöchentlich erst in tschechische und slowakische Wohnzimmer, dann zur Strecke. In diesen dreißig Folgen, die zwischen 1955 und 1975 ausgestrahlt wurden, präsentierte sich Major Zeman als die fesche Verkörperung des Systems. Und war als solche stets demjenigen überlegen, den der Staat gerade zu seinem Lieblingswidersacher auserkoren hatte. Zehn Jahre, nachdem das sozialistische System in der Tschechoslowakei, all den Bemühungen des Jan Zeman zum Trotz, dann doch unterlag, kehrt er zurück in die tschechischen Wohnstuben: Seit Donnerstag wiederholt das tschechische Fernsehen die „Dreißig Fälle des Major Zeman“.

Seitdem der öffentlich-rechtliche Sender seine Entscheidung bekannt gegeben hat, den roten Serienhelden aus der Klamottenkiste zu holen, ist die Nation gespalten. Einerseits entbehrt die Serie aus der historischen Distanz nicht einer gewissen Lächerlichkeit. Das gefällt vor allem den Jungen. Aber ist die Krimireihe deshalb gleich kultwürdig oder doch einfach nur schlechte, gefährliche Propaganda? Letzteres glauben vor allem die Älteren, die den Major noch aus seiner Glanzzeit, den Siebzigerjahren kennen.

Es war die Epoche der „sozialistischen Normalisierung“ nach Alexander Dubceks „Prager Frühling. In der Erinnerung der Älteren kommt diese Zeit gleich nach dem stalinistischen Terror der Fünfziger. Der Major, immer siegreicher Staatsschützer und Bilderbuchkommunist, sollte das sozialistischen Bewusstsein der damals „demokratieverseuchten Tschechoslowaken“ mittels unterhaltsamer Indoktrination wieder auf Linie bringen. Auch seine Widerauferstehung ist nun wieder der Volkserziehung geschuldet. Der Intendant des tschechischen Fernsehens, Jakub Puchalsky, will mit der erneuten Ausstrahlung der Propagandaserie zur offenen Diskussion über die jüngste Vergangenheit des Landes beitragen. Ein mutiges Vorhaben, denn in Tschechien wird gern und viel unter den Teppich gekehrt. Major Zeman löst seine Fälle diesmal nicht ohne Kommentar: Jeder Folge soll ein kurzer Zusammenschnitt von zeitgenössischen Wochenschauen vorangestellt werden, und nach jeder Folge folgt eine dreißigminütige Dokumentation über den ideologischen Zusammenhang des gerade gelösten Falles; zusätzlich wird einmal pro Monat gar eine ausgewählte Schar von Politikern, Historikern und Journalisten die gezeigten Folgen diskutieren.

Arg getroffen hat die Rückkehr Jan Zemans die Opfer der echten Stasi Majore, vereinigt in der „Konföderation politischer Gefangener“. Sie betrachten die Serie als Verherrlichung der jüngsten Vergangenheit und haben gegen das tschechische Fernsehen prompt Klage eingereicht. Sie befürchten, dass Major Zeman die Wähler scharenweise in die Arme der Kommunisten locken könnte. Die sind derzeit allerdings schon die zweitbeliebteste Partei im Land, lange bevor Major Zeman im Fernsehen sein erstes „Cest praci“ (Ehre der Arbeit) wiederholen durfte. Ulrike Braun