■ Die Nato hat im Kosovo-Krieg kaum serbisches Militär getroffen
: Der Luft(fehl)schlag

Drei Monate nach Kriegsende hat die Nato die Katze aus dem Sack gelassen. Was bereits früh vermutet wurde, ist jetzt Gewissheit. Militärisch war die Operation ein glatter Fehlschlag. In 37.500 Einsätzen auf 900 militärische Ziele wurden lediglich 26 Panzer, 12 Schützenpanzer und 8 Geschützbatterien der jugoslawischen Bundesarmee zerstört. Und dies, obwohl sich bis zu 1.300 Kampfpanzer und 4.600 Artilleriegeschütze, nach seriösen Schätzungen, bei Kriegsbeginn in den serbischen Arsenalen befanden. Welch dürre Bilanz – in Erinnerung an die sich täglich überbietenden Erfolgsmeldungen aus Brüssel. Welch magere Erfüllung von Clintons Anspruch, Serbien die Fähigkeit zur militärischen Offensive gegen die Kosovo-Albaner zu nehmen.

Die wichtigste Botschaft ist hinter den Zahlen verborgen: Militärisch war Belgrad keineswegs am Ende. Vielmehr war es der Erfolg der politischen Diplomatie, der die Nato in letzter Minute vor dem Desaster bewahrte, das der bereits geplante Bodenkrieg wahrscheinlich geworden wäre.

Woran lag es? Natürlich, so die Nato, nicht an verfehltem militärischen Kalkül, sondern – wie so oft – am Wetter. Letzteres hatte die Nato freilich nicht davon abgehalten, durchaus effektiv die zivile Infrastruktur Serbiens zu zerstören und die Bevölkerung in Mithaftung für die Politik des jugoslawischen Regenten zu nehmen. Schlimmer noch, dessen Machtreservate, zu denen die Armee und die etwa 120.000 paramilitärischen Milizen zweifellos zählen, sind kaum betroffen. Ganz im Gegensatz zur serbischen Bevölkerung, die weiter unter den Kriegsfolgen zu leiden hat, obwohl sie doch ausdrücklich nicht Ziel des Nato-Kriegs sein sollte.

Interessant ist deshalb auch das allerdings sehr späte Eingeständnis der Nato, dass der „entscheidende politische Schlag“, der schlussendlich das Einlenken Belgrads bewirkte, nicht von Brüssel, sondern von Moskau ausging. Ob dieser Schlag zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre, bleibt ungewiss. Arrogante Spekulation auf einen erfolgreichen Blitzkrieg hatte die Nato lange darauf verzichten lassen, eine Kooperation mit Moskau überhaupt in Erwägung zu ziehen. Dass nun fällige Lehren aus dem militärischen Fehlschlag gezogen werden, darf erhofft, muss aber bezweifelt werden. Schon Tacitus wusste: Solitudinem faicant pacem appellant ... (Sie schaffen eine Wüste und nennen es Frieden).

Hans-Joachim Gießmann

Mitarbeiter des Hamburger Friedensforschungsinstituts