Wir haben euch unsere Stimme nur geliehen

Erschreckend ist, wie wenig sich die Koalition in ihrer Oppositionszeit auf die konkrete Regierungsverantwortung vorbereitet hat. Parteien, die sich so leichtfertig, das heißt unter Missachtung des Grundgesetzes und des internationalen Rechtes, auf Bombardierungen, bei denen immer „Kollateralschäden“ zu befürchten sind, einlassen, sind für mich unter keinen Umständen wählbar!

Dr. Ernst v. Kriegstein, Bad Bevensen

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Klar, dass die rot-grüne Regierung meine Erwartungen nur zu einem geringen Teil erfüllt. Schon deshalb, weil ich nicht Rot-Grün gewählt habe, sondern Grün. Ständiges Herumkritteln und die Nichtbeachtung der guten Dinge (ja, es gibt sie!), die die Regierung gemacht hat oder plant, ist kontraproduktiv und öde. Die Regierenden können doch wohl nur mutig und innovativ sein, wenn die BürgerInnen sie darin unterstützen.

Petra Döll, Kassel

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Warum soll ich noch Grün wählen? In keinem Politikbereich sehe ich grüne Inhalte; die Benzinsteuer haben selbst die Konservativen in Großbritannien durchgesetzt. Der Außenminister muss Kriege rechtfertigen, der Umweltminister Atomtransporte bzw. die Einlagerung in Schacht Konrad. In der Bildungspolitik bewegt sich gar nichts. Jugendpolitik ist ein Fremdwort. Andreas Blöcker, Braunschweig

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Die neue Bundesregierung hat ihre Wahlversprechen nicht erfüllt. Wieder wurde keine Frau Bundespräsidentin. Die BRD hat sich an einem Angriffskrieg beteiligt. Der Militärhaushalt ist viel zu hoch. Der Atomausstieg ist nicht in Sicht. Der 630-Mark-Job ist eine Ungerechtigkeit.

Ria Becker-Faller, Offenbach am Main

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Die Politik der Bundesregierung ist richtig, Krankenkassen- und Rentensanierung, Steuerreform, auch der Kosovo-Einsatz. Großer Fehler allerdings die Altauto-Verordnung. Durch den Zirkus der SPD im Winter, Lafontaine/Schröder, auch die Konzeptionslosigkeit, wurde aller Kredit verspielt. Es fehlt: eine Gesellschaftsvision, die die Leute begreifen! Wolf Bayer, Berlin

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Äußerst zähneknirschend würde ich nochmals Rot-Grün wählen. Was Kohl & Co. in sechzehn Jahren kaputt gemacht haben, kann man in einem Jahr nicht reparieren. Aber etwas mehr Mut wäre schon von Nöten (vor allem die Sozen haben sich doch angeblich sechzehn Jahre auf die Rückeroberung der Macht vorbereitet – sehr schlampig!). Monika Roßteuscher, Berlin

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Da die Erwartungen sehr groß waren, sollte alles sehr schnell gehen. Dies ging zu Lasten der soliden Handwerklichkeit! Leider sind die politisch Handelnden selbst sehr unsicher, daher beharken sie sich selbst und erklären ihre Politik nicht den Wählern. Der Regierung fehlt ein Plan, eine Zeitleiste, wann sie was erledigen will. Es gibt nur großes Chaos! Volker Westphal, Hamburg

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Wenn im Herbst der Ausstieg definitiv nicht per Gesetz kommt, haben die Grünen die Regierung zu verlassen. Es gibt keine Ausrede mehr. Die Zeitschinderei ist auch vorbei. Ansonsten wird die Partei lähmend zerbrechen.

Bernd Meyer, Winsen

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Ich stehe weiter hinter den Grünen und würde sie auch wieder wählen. Aber nur unter Protest – und weil es keine Alternative gibt. Allerdings ist die Regierung ein Trauerspiel. Als Optimistin wollte ich nie glauben, dass Manager und Moneten Deutschland regieren – jetzt kann ich es nicht mehr leugnen. Die Grünen können nur überleben, wenn sie zu ihrem Programm zurückfinden. Auf kommunaler Ebene allerdings weiterhin gute Arbeit. Über die SPD sage ich nix. Manuela Wegener, Berlin

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Schulterklopfend freue ich mich, weder Rot noch Grün gewählt zu haben, weil ich nicht viel von ihnen erwartete. Aber das Tempo, mit dem die Grünen ihre „Grundsätze“ austauschten, hat mich doch überrascht. Ich bin froh, Opposition gewählt zu haben. Gysi gehört in den Bundestag!

Ferdinand Eßer, Rheine

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Viele Beschlüsse haben sich positiv in unserer Familienkasse ausgewirkt. Schröder ist erwartungsgemäß „sozialdemokratisch“, sprich: prinzipien- und ideenlos, bieder. Ich wünsche mir ein Eine-Million-Dächer-Programm und ein sichtbares Zeichen vom Ende der Atomkraft.

Ludwig Werum, Mainz

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Was ich heute von der Regierung halte? Nicht schlecht, nur Schröder stört!

Was sich die Regierung von ihren WählerInnen anhören sollte? Eine rot-grüne Regierung muss dem weiteren Auseinanderdriften von Arm und Reich in unserer kapitalistischen Gesellschaft entschiedener entgegenwirken, sonst bleiben noch mehr rot-grüne WählerInnen zu Hause!

Barbara Rudolph, Bremen

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Die Grünen: Nach einem Jahr Mitregieren ist klar, dass das Projekt „Grüne an die Macht“ nach 25 Jahren Arbeit gescheitert ist. Die Grünen haben vergessen, warum sie gegründet und wofür sie seit Jahrzehnten gewählt wurden. Die Abgeordneten, Mitglieder und Wähler werden in Zukunft, jeder für sich, zu anderen Parteien wechseln oder die Politik vergessen.

Die SPD: Starr vor Staunen, wer mit ihrer Hilfe Kanzler und Parteivorsitzender geworden ist, wartet sie darauf, dass endlich die ruhigen Oppositionsjahre wiederkehren. Schröder als Blair-Kopie und Anhänger des globalen Turbokapitalismus hätte in der Regierung von Politikern eingerahmt werden müssen, die nicht wie er ständig um Streicheleinheiten bei den Bossen buhlen, sondern die mit voller Unterstützung von Fraktion und Partei sozial gerechte Politik machen wollen. Wer wie die jetzige Regierung glaubt, Arbeitsplätze mit immer reicheren Reichen zu schaffen, ist garantiert auf dem falschen Weg. In spätestens drei Jahren ist der Schröder-Spuk vorbei. Die Enttäuschung über „Verräter“ hält auch beim Wähler viel länger an als der Ärger über Gegner.

I. Chalupsky, Buchholz

Ich habe immer Schröder als den neuen Helmut Schmidt eingeschätzt, also politisch von ihm nichts erwartet – wohl aber taktisch. Die Regierung würde (nach Machiavelli) die notwendigen Grausamkeiten (Steuerverschärfungen, demografischer Rentenfaktor, Umweltgesetze etc.) gleich zu Beginn begehen und die dann finanzierbaren Wohltaten (Wahlversprechen) in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode verteilen, gegebenenfalls Gesetze nach einer entsprechenden Probelaufzeit korrigieren.

Ich hoffe also, a) Schröder würde die notwendige Energie/Brutalität dafür aufbringen, b) die Grünen würden die gröbsten Umweltschweinereien verhindern, c) die Bundesratsblockade wäre endlich aufgehoben. Ich glaube, das Wahlvolk hätte das auch verstanden.

Am meisten bin ich also davon enttäuscht, dass Schröder vor allem und jedem einknickt und damit die Glaubwürdigkeit der politischen Klasse vollends unterminiert hat. Helmut Richter, Frankfurt am Main

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Fast ein Jahr Rot-Grün – für mich als Schwulen, der seit fast neun Jahren mit seinem Freund zusammen lebt, hat sich – legislativ – nichts bewegt. Nicht dass es nicht mit etwas Überzeugungskraft möglich gewesen wäre, die Sache auf den Weg zu bringen, nein, man hat es aus Angst vor der Reaktion der „Anderen“ gar nicht erst versucht. Wie erbärmlich. Da ich dafür aber eher die SPD als die Grünen verantwortlich mache – ganz abgesehen davon, dass schwul-lesbische Themen nicht alles sind –, würde ich weiterhin und wieder die Grünen wählen. Michael Gobbert, Hamburg

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Auch vor dem Machtwechsel wollten wir keinen Kanzler Schröder und keinen Parteivorsitzenden Schröder. Von ihm war nichts Besseres zu erwarten. Er hat den Atomausstieg ausgebremst und viele andere Vorhaben blockiert. Wir wollen nicht an der Stelle der grünen Minister sein mit so einem Kanzler. Wir hatten Verständnis für einen Minister, der unter solchen Bedingungen seinen Hut nahm und noch im Gehen durch sein Schweigen versucht hat, einer Regierung, die er nicht mehr mittragen konnte, nicht zu schaden. Monique und Thomas Reiser, Offenburg

„Wir wollen nicht alles anders machen, aber vieles besser“, behauptete Schröder im Wahlkampf 1998. In der Tat aber bringt unsere Bundesregierung wenig „Besseres“ und macht nur mit dem eigentlich alten „Pferdeapfelkapitalismus“ weiter. Und wo bleibt der im Koalitionsvertrag angekündigte Ausstieg aus der Atomkraft? Für jemanden, der zur Zeit in einem EU-Land außerhalb der BRD lebt, war gerade auch die Diskussion über die doppelte Staatsbürgerschaft – und das daraus resultierende Ergebnis – besonders wichtig; aber bei diesem Thema hat man den „Volksverhetzern“ von der CDU/CSU nachgegeben, und man hat dabei endgültig seine Glaubwürdigkeit und Zielstrebigkeit gänzlich über Bord geworfen.

Jetzt rennt man vermeintlichen Trends hinterher und lässt sich die Richtung und die Thematik von anderen bestimmen. Wofür steht diese Bundesregierung eigentlich noch?

Claus Biermann, Las Palmas de Gran Canaria

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Ich würde die Grünen nochmals wählen. Alternativen gibt es kaum. Einzige vorstellbare Alternative ist, ungültig zu wählen.

Gerhard Franke, Darmstadt

Vielen wird klar gewesen sein, dass nach 16 Jahren neoliberaler Einfalls- und Schamlosigkeit eine Neudefinition des Weges, den diese Gesellschaft gehen soll, nicht vom Himmel fällt. Aber scheinbar hat die Regierungsmehrheit gerade die SPD völlig unvorbereitet getroffen. Nicht der Hauch von Ideen bezüglich der Neubewertung des Begriffes „Arbeit“. Aus dieser Debatte ergeben sich dann Anstöße für die Fragen des Geschlechterverhältnisses, der Bewertung von Energie und Materialumsatz, der Spozialpflichtigkeit von Kapital, insbesondere dem nicht arbeitenden, sondern über die Börsen vagabundierenden sowie über die Neubestimmung der Frage, was eigentlich Bildung soll und die zugehörigen Einrichtungen. Und eine zweite grundlegende Debatte wäre die, was diese Gesellschaft eigentlich zusammenhält, in welcher Gesellschaft wir überhaupt leben und künftig leben wollen bzw. können.

Gerold Caesperlein, Dortmund

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Grundsätzlich: Ich bleibe dabei, (Rot)-Grün zu wählen – in Berlin diesmal ausnahmsweise mit beiden Stimmen, denn ich hoffe, dass die Opposition beiden Parteien gut tun wird; und Grün sollte tonangebender sein als in der Vergangenheit möglich. Mein Widerspruch zur neuen Regierungspolitik macht sich fest an deren eigener Widersprüchlichkeit: Es der Wirtschaft recht machen zu wollen und den kleinen Leuten, den Jungen und den Alten. Die Ehrlichkeit, einzugestehen, dass das nicht geht, wäre einzuklagen.

Dr. Gumlich, Berlin

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Ja, Ernüchterung ist eingekehrt. Es wäre zu schön gewesen, wenn durch das Kreuzchen am 27. September 1998 soziale Gerechtigkeit, Atomausstieg, Frieden, Bewahrung der Schöpfung eingekehrt wären! Es ist und bleibt ein mühsamer Weg! Verstehen kann ich aber nicht, weshalb jetzt schon so viele wieder nach den angeblichen „Fleischtöpfen“ der CDU sich sehnen. So bleibt mein Kreuzchen bei Grün, aber die Arbeit (in und) außerhalb der Parlamente bleibt wichtiger!

Heiner Bredt, Brakel

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Innen-und Außenpolitik (Kosovo) eine Katastrophe! Für den Bundestag beide nicht mehr wählbar. Alternative? Ungültig wählen. Die Parteien sind beliebig auswechselbar!!!

Renate Drews, Berlin

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An Fischer & Co: Zurücktreten! Schröder habe ich eh nicht gewählt, zu ihm hat Wiglaf alles gesagt, sogar vorausgesagt („Wer Schröder wählt, wählt Krieg“). Die Grünen bekamen meine Zweitstimme, was ich zutiefst bereue. Mit der Zustimmung zum Koalitionsvertrag haben die Grünen ihr politisches Schicksal besiegelt. Aber dass sie dermaßen eklig an ihren Posten und Sesseln kleben und jede Kröte für die eigene Karriere schlucken, hätte selbst ich nicht geglaubt.

Emmo Frey, Dachau

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Ich bin enttäuscht von einigen Bündnis 90/Grünen-Abgeordneten, die glauben, eine bessere FDP abgeben zu müssen, die sich gegenseitig angreifen und versuchen, Minister abzuschießen (Trittin). Hier erwarte ich auch taktisches, professionelleres Vorgehen gegenüber dem Regierungspartner (Atomausstieg, Umweltschutz). Ich bin enttäuscht über eine SPD-Fraktion, die sich so von einem Bundeskanzler gängeln lässt. Ein Schröder, der den Grad seiner Unfähigkeit erreicht hat und sich darüber mokiert, dass er in den Medien bloßgestellt wird. Der wohl nicht mehr weiß, wofür die Sozialdemokratie steht. Zur Kritik Schröders an der RTL 2-„Peep“-Show ein altes schwäbisches Sprichwort: Wer sich unner Kleie mischt, wird von de Säu gfresse!

Bernhard Faaß, Straubenhardt-Feldrennach

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Die Richtung stimmt ja! Ein Ausgleich zwischen Rentenbezieher und Rentenbezahler ist notwendig. Die Staatsverschuldung muss runter. Warum aber um alles in der Welt verzichtet man auf Einnahmen von den Leistungsfähigsten, um diese Ziele zu erreichen? Mehr Mut zu richtig erkannten Entscheidungen, auch wenn die Leute mit der Lobby heulen.

Waltraud Faaß, Straubenhardt-Feldrennach

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Die Regierungsarbeit ist nicht so schlecht wie ihr Ruf, es gibt deutliche Zeichen in die richtige Richtung. Nur so einen Chaoten wie den Bundeskanzler Schröder kann die letzte Truppe nicht ausgleichen. Der müsste durch jemanden mit etwas Sachverstand und Rückgrat ersetzt werden!

Fritz Leo, Köln

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Es ist schon einiges auf der Strecke geblieben, mehr sollte es nicht sein. Lieber z. B. höherer Benzinpreis, geringerer ÖPNV. Arbeitsmarkt: Änderung 630-Mark-Jobs bisschen verwässert; das Beschäftigungsförderungsgesetz gehört auch in die Tonne, es fördert nicht Beschäftigung (außer in der Personalverwaltung), sondern verlängert die Probezeit!

Cornelia Flesche, Wuppertal

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Ich stehe zur Regierung. Schröder ist nicht nach meinem Geschmack, aber das kleinere Übel. Müller, Müntefering und andere SPD-Regierer machen ihre Sache gut. Die Streitkultur wird von den WählerInnen nicht verstanden. Schade. Alle Achtung, Joschka Fischer, auch Jürgen Trittin! Ein Jahr ist tierisch kurz.

Mechthild Häufler, Stuttgart