Kreisverbände sind „Seele der Partei“

■ Grüner Landesparteitag: Mit Wolfram Sailer und Klaus Möhle sprechen künftig zwei Männer für die Bremer Grünen / Mitglieder lehnten Anträge zur Professionalisierung der Vorstandsarbeit ab

ie Bremer Grünen haben wieder einen Landesvorstand: Rund 100 anwesende Mitglieder wählten am Samstag die früheren Bürgerschaftsabgeordneten Wolfram Sailer und Klaus Möhle zu ihren neuen „Sprechern“. Schatzmeister wurde der Berufsschullehrer Peter Hons, Beisitzer die Rechtsanwältin Christina Bremme, der Schüler Jan Fries, die Lehrerin Ulrike Joest und der Soziologe Jörg Hutter.

Ob die Partei damit wieder an „Schlagkraft“ gewinnt und handlungsfähig wird, darüber läuft eine Wette. Dietrich „Hucky“ Heck, der scheidende Vorstands-Sprecher, hatte die Versammlung beschworen, die Strukturen zu verändern, weil nach seinen Erfahrungen eine effektive Arbeit so nicht möglich sei. Am Ende der zweijährigen Amtszeit hatte über die Hälfte des Vorstands das Handtuch geworfen.

Wette: Vorstand hält nicht durch

„Sollen wir wetten, wie groß der neue Landesvorstand in zwei Jahren noch ist“, rief Heck in die Versammlung. „Sind dann noch vier übrig? Wetten, dass nicht?“ Die Vorstands-Kür gehe nach dem Motto: „Solange es noch genügend Idioten gibt, ist es doch ok“. Ein „Drängeln“ von engagierten und qualifizierten Grünen-Mitgliedern in den Landesvorstand gebe es nicht, die Verantwortung auf der Basis ehrenamtlicher Arbeit sei eine völlige Überforderung. „Klare Vorgaben an die Fraktion geben, und diese durchsetzen wollten sie, hätten die Kandidaten um Wolfram Sailer geschrieben. „Charmant“ sei das, meinte Heck spöttisch, „aber wenn ich mir die Bewerber ansehe, habe ich meine Zweifel, dass das gelingt“.

Hecks Konsequenz aus seiner zweijährigen Arbeit, die von den übrigen verbliebenen Vorstandsmitgliedern geteilt wurde: Kein falscher Team-Anspruch, die Mitglieder müssen sich auf einen Sprecher bzw. eine Sprecherin verständigen, die dann professionell arbeitet, das heißt auch gegen Bezahlung. Die Partei brauche einen politischen Geschäftsführer und der Grundsatz, dass Mitglieder der Fraktion nicht für den Vorstand kandidieren dürfen, muss aufgegeben werden. Diese Struktur-Reform sollte auch die Konsequenz aus der Erfahrung sein, dass die Personaldecke für Ehrenämter bei den Grünen nicht mehr unendlich breit ist und das Engagement an der Parteispitze doch nur die heimliche Ochsentour ist, die nur solche auf sich nehmen, die auf nichts anderes schielen als auf ihre Chancen bei der nächsten Kandidatur für einen der begehrten sicheren Bürgerschafts-Plätze.

Strukturreform für mehr Schlagkraft abgelehnt

Die Versammlung dankte Hucky Heck mit großem Applaus für seine Arbeit, nahm aber seine Erfahrungen nicht ernst und wischte seine Vorschläge für eine Neuorganisation mit großen Mehrheiten vom Tisch. „Der alte Landesvorstand hat vier Jahre lang verdienstvoll die Parteiarbeit organisiert“, hatte Wolfram Sailer in seiner Kandidatur für die Nachfolge geschrieben. Bei seiner Kandidaten-Vorstellung versprach Sailer „bessere Zusammenarbeit und mehr Kommunikation mit den Kreisverbänden“, überhaupt seien die Kreisverbände „Herz und Seele der Partei“. Er sei „kein Haudegen“ wie Hucky Heck, wolle aber „die positiven Utopien neu beleben“ und „Politik für unsere beiden Städte gestalten“. Bei der Abstimmung über die Sprecher der Landesversammlung fühlten sich zwei Drittel der anwesenden Mitglieder in dieser Rhetorik aufhoben.

Der Quoten-Platz bleibt – männlich besetzt

Vorher mußte die Versammlung allerdings noch kurz unterbrochen werden, weil das Statut die strenge Quotierung auch für die beiden Sprecher-Posten vorsieht und keine Frau als Kandidatin zur Verfügung stand. Die Versammlung, die keine Satzungsänderung wollte, konnte dann befriedigt zur Kenntnis nehmen, dass die grünen Frauen mit 23:20 Stimmen beschlossen hatten, „ihren“ quotierten Platz an der Spitze für einen zweiten Mann zur Verfügung zu stellen. So gab es keine Kampfabstimmung mit Klaus Möhle, sondern zwei Kandidaten für zwei Plätze und Möhle lag mit 62 „Ja“- und 21 „Nein“-Stimmen nur zwei Stimmen hinter Sailer.

Gegen das böse Wort vom Randgruppen-Vertreter hatte sich Möhle selbstbewusst als jemand empfohlen, der in der Waldorf-Schule genauso gut ankommt wie bei den Baulöwen. „Michael Bongartz hat mir viel Erfolg gewünscht für meine Kandidatur hier“, berichtete der alte Weidedamm-Besetzer Möhle. „Grüne Politik ist grundlegend wichtig“, bekannte er und stellte unter Beweis, dass er sie einfach gut und in freier Rede verkaufen kann: „Ich stelle mich hier als Person zur Wahl“, sagte Möhle. Der Unterschied zu dem Lehrer Sailer, der jeden Satz ablesen musste, war offenkundig. Doch Sailer hatte zuvor die Runde durch die Kreisverbände gemacht und dort Mitglieder hinter sich gebracht. Beides war, wie das annähernd gleich hohe Abstimmungs-Ergebnis der zwei Kandidaten schließlich zeigte, den Anwesenden Mitgliedern offenbar gleichermaßen wichtig.

Bremer Grüne – auch ein Sanierungsfall

Der neue Landesvorstand wird auch finanziell wenig Spielraum haben. Die Bremer Grünen erhalten wie das Bundesland einen Zuschuss aus der föderalen Bundeskasse der Grünen. Dieser macht die Hälfte ihres Etats aus – doch die flächendeckenden Wahlniederlagen haben das Geld überall bei den Grünen knapp gemacht. Auch die eigenen Bremer Einnahmen werden weniger, der „Länderfinanzausgleich“ wird vermutlich auch noch einmal sinken, berichtete Öko-Fonds-Vertreter Jürgen Sosna. Das könnte bei einem Etat, der zum großen Teil für Personalkosten verplant ist, bald zum Problem werden. Die Versammlung bestand aber mit großer Mehrheit darauf, dass der „Ökofonds“, in den die Abgeordneten einen Anteil ihrer Diäten einzahlen, für alternative Projekte bestehen bleibt und dass das Geld nicht voll in die Parteikasse fließen soll. Das Argument der Bundestagsabgeordneten Marieluise Beck, die Partei brauche mehr Mittel, wenn sie mehr Schlagkraft entwickeln wolle, überzeugte nur eine kleine Minderheit der Mitglieder. K.W.