Ein schöner Spätsommertag im Gestapo-Keller

■ Beim „2. Tag der Zeitgeschichte“ boten mehr Museen als 1998 Zusatzprogramme an

„Welches Häftlingszeichen hatte ein homosexueller, kommunistischer Jude?“ Die Frage des Ausstellungsführers bringt eine Zuhörerin dann doch zum Lachen. Dabei ist hier auf dem Gelände der „Topographie des Terrors“ wenig lustig – schon lange nicht die bürokratisch-zynische Einteilung und Kennzeichnung der Nazis für ihre KZ-Häftlinge: Alle Internierten hatte einen dreieckigen Stofffetzen auf ihrer Sträflingskleidung, je nach Farbe des Kennzeichens waren Juden, Homosexuelle, „Zigeuner“ und politische Gefangene voneinander zu unterscheiden.

Eine Stadt ist auf der Suche nach ihrer Vergangenheit, am Ende des Jahrtausends ist das Zurückschauen en vogue: Am gestrigen „2. Tag der Zeitgeschichte“ nahmen dieses Jahr 18 Gedenkstätten, Museen und Archive in Berlin und Potsdam teil, acht mehr als 1998. Dabei konzentrierte sich fast alles auf die traurigen Seiten dieses Jahrhunderts: „Verfolgung und Widerstand im Nationalsozialismus“, „Repression und Opposition in der sowjetischen Besatzungszone und DDR“ sowie „Jüdisches Leben in Berlin“ waren die Themen des Gedenktages.

Wie auf dem Gelände der „Topographie des Terrors“ in Kreuzberg hatten sich die Institutionen, die sich an dem Zeitgeschichtstag beteiligen, oft besondere Mühe gemacht, den Interessierten die Vergangenheit leichter zu vermitteln. Auf dem früheren Prinz-Albrecht-Gelände, wo bis 1945 die Haupt-Terrororganisationen des „Dritten Reiches“ wie Gestapo und SS ihre Zentralen hatten, boten die Ausstellungsmacher zusätzliche Führungen, neu konzipierte Rundgänge und einen Vortrag samt Diavorführung zu den Bauvorhaben auf dem Gelände an. Hier soll ein Dokumentationszentrum entstehen.

Unter dem Titel „Von Potsdam nach Sachsenhausen. Zur Geschichte der von den Sowjets verurteilten Häftlinge im Land Brandenburg 1945 – 50“ kooperierten die Gedenkstätte Lindenstraße 54 in Potsdam mit der des früheren KZ Sachsenhausen in Oranienburg: Von dem Ex-Untersuchungshaftanstalt der Stasi im Potsdam, im Volksmund „Lindenhotel“ genannt, ging es per Bus nach Sachsenhausen. Nach 1945 führte das Sowjetische Militärtribunal (SMT) im „Lindenhotel“ seine Verhöre durch, bevor die Häftlinge nach Sachsenhausen kamen. Im ehemaligen Nazi-KZ war ein Internierungslager für vermeintliche oder echte Faschisten. Erstmals beteiligten sich auch die Gauck-Behörde sowie das Anne-Frank-Zentrum am „Tag der Zeitgeschichte“. Zum zweiten Mal dabei waren unter anderm die Gedenkstätte Deutscher Widerstand, das Haus der Wannseekonferenz und das Centrum Judaicum in der Oranienburger Straße.

Doch der „Tag der Zeitgeschichte“ ist nicht unumstritten. Klaus Hesse, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Mitarbeiter der „Topographie des Terrors“, zeigte sich bei einer Führung über das verwilderte Gelände an der Wilhelmstraße verärgert darüber, dass der Zeitgeschichtstag nicht im Rahmen der „Langen Nacht der Museen“ stattfindet. Dadurch würde die Stätten der „schönen Kultur“ und die der schwer verdaulichen Vergangenheit getrennt – obwohl sie doch zum gleichen Erbe gehörten: Der Tag der Zeitgeschichte, mahnte Hesse, werde so leicht „zu einer etwas drögen Veranstaltung für die, die es nicht lassen können, sich an einem schönen Spätsommertag mit der Gestapo zu befassen“. Philipp Gessler