Integration im Schrebergarten

■  Kleingärten: ein Stück Heimat auch für Migranten. Zum Thema „Migrantenfamilien in deutschen Gartenkolonien“ forschte das Referat für interkulturelle Angelegenheiten an der Evangelischen Fachhochschule Hannover. Wir dokumentieren die Ergebnisse in Auszügen

Bereits um die Jahrhundertwende entstanden in Hannover die ersten Kleingärten. Heute sind sie aus dem Stadbild nicht mehr wegzudenken.Die 21.000 Kleingärten bedecken mit ihrer Fläche von 1.100 Hektar rund fünf Prozent des Stadtgebiets.

Kleingärten sind Teil des öffentlichen Grüns, das der Freizeitgestaltung und Erholung dient. Aber Kleingärten sind viel mehr. Sie bieten auch Bewohnern von Etagenwohnungen die Möglichkeit, ihr ganz persönliches Grün zu pflegen.

Seit dem Frühjahr 1999 wird an der Evangelischen Fachhochschule Hannover in Zusammenarbeit mit dem Referat für Interkulturelle Angelegenheiten und dem Grünflächenamt der Landeshauptstadt Hannover zum Thema „Integration im Schrebergarten – Migrantenfamilien in Gartenkolonien in Hannover“ geforscht.

An der EFH gab es zu dem Forschungsprojekt die Lehrveranstaltung „Integration im Schrebergarten? – Zuwanderer in Gartenkolonien in Hannover“, an der 35 Studierende teilnahmen. Dort wurde ein Fragebogen erarbeitet, der an 148 Gartenvereine in Hannover geschickt wurde. Parallel dazu führten die Studierenden Interviews mit Pächtern von Kleingärten und hielten das Vereinsleben in Fotos fest.

Nach der Sichtung der Fragebögen und der Auswertung der ersten Interviews ergeben sich folgende Kenntnisse:

1. Die Gärten von Deutschen und von Migranten sind auf den ersten Blick nicht voneinander zu unterscheiden. Die Anpassung der Gartenvereinsmitglieder an die Vereinsstatuten ist nicht abhängig von ihrer Herkunft oder Nationalität. Erst beim genaueren Hinsehen ist festzustellen, dass es Besonderheiten gibt: Migranten nutzen ihre Gärten mehr für die Eigenversorgung als es deutsche Pächter tun. Auch bei der Auswahl der Pflanzen und Gemüse sind Unterschiede zu beobachten.

Im allgemeinen mussten wir eine große Anpassungsbereitschaft an die bestehenden Gartenordnungen feststellen, was zu einer gewissen Uniformität der Gärten führt, gleich welcher Nationalität oder Herkunft die Pächter sind. So gibt es beispielsweise kaum ökologisch gestaltete Gärten.

2. Die Nutzung der Kleingärten ist bei Migranten und Deutschen unterschiedlich. Die eingewanderten Gärtner sehen ihren Garten eher als Kommunikationsort, an dem sie Freunde und Verwandte empfangen. Für die deutschen Gärtner ist ihr Kleingarten ein Ort der Ruhe, wohin sie sich zurückziehen. Darin liegt möglicherweise ein Konfliktpotential.

3. Einen unterschiedlichen Nutzungsanspruch gibt es auch innerhalb der Gruppe der Migranten. Für Migranten der ersten Generation ist der Garten Heimatersatz oder Ersatzheimat, während Migranten der zweiten Generation den Garten zur Integration nutzen. Sie knüpfen dort Kontakte zu Mitbewohnern anderer Nationen, auch zu deutschen Gartenfreunden.

4. Manche Kolonien sind rein deutsch, d. h. sie vergeben keine Gärten an Migranten. Dies liegt nach unseren Erkenntnissen daran, dass die Migranten meistens nicht mit dem Vergabeverfahren für Kleingärtner vertraut sind und deshalb keinen Garten pachten können. In vielen Kolonien werden frei werdende Gärten nach Empfehlungen vergeben. Wir mussten feststellen, dass dabei die deutschen Bewerber eindeutig bevorzugt werden.

5. Je internationaler und gemischter dieBevölkerungsstruktur in einem Stadtviertel ist, desto mehr Nationalitäten finden sich auch bei den Gartenpächtern. Die stärkste Gruppen innerhalb der gärtnernden Migranten sind Menschen aus Russland, Kasachstan und der Türkei.

6. Kontakt zwischen den Gärtnern entsteht häufig über den Austausch von Pflanzen und das Einhalten von Regeln, etwa die Aufforderung, die Hecke zu schneiden, das Unkraut zu jäten, bestimmte Bäume und Pflanzen im Garten anzusiedeln.

7. Alle Gartenbesitzer halten sich an die vorgeschriebene Bepflanzung (1/3 Gemüse, 1/3 Rasen, 1/3 Blumen). Es ist aber zu beobachten, dass Aussiedler gerne mehr Gemüse anbauen (Selbstversorgung). Dieses Verhalten geht zurück, sobald beide Partner arbeiten gehen, dann wird der Rasenanteil so groß wie erlaubt gehalten. Dies ist einfacher und weniger zeitintensiv in der Pflege.

8. Der Kontakt zwischen einheimischen und eingewanderten Gärtnern ist in privaten Gartenkolonien leichter und offener als in städtischen Kolonien.

Bereits im Frühjahr 1999 wurden in den Medien die Ergebnisse einer Untersuchung veröffentlicht, in der nach dem Bedarf an Kleingärten in Hannover gefragt worden war. Die eindeutige Erkenntnis war, dass es zu wenig Kleingärten in der Landeshauptstadt gibt.

Bei dieser Untersuchung wurden jedoch keine ausländischen Familien befragt. Vor dem Hintergrund unserer eigenen Forschungen regen wir an, die Befragung erneut durchzuführen und dabei nach den Wünschen und Bedürfnissen zugewanderter Mitbürgerinnen und Mitbürger zu fragen. Wir vermuten, dass es dringend nötig sein wird, über die Form des Vereinslebens, der Vereinsregeln und der Gartenvergabe nachzudenken und sie neu und anders zu gestalten. Damit kann verhindert werden, dass bestimmte Gruppen vom Kleingartenleben in Hannover ausgeschlossen werden. Evangelische Fachhochschule Hannover, Tel.: 0511 / 530-103