Mensch und Dose

■ In der Galerie für Gegenwartskunst sind zwei miniaturisierte Ausstellungsräume von Stephen Craig ausgestellt

Vor knapp zwei Jahren plauderten die flüchtigen Bleistift-Skizzen des Martin Walde über die Tücken des Stadtlebens in der „Galerie für Gegenwartskunst“ (GfG). Jetzt macht sich schon wieder ein documenta-X-Künstler bei Galeristin Barbara Claassen-Schmal breit. Es ist Stephen Craig. Seine sperrhölzernen Architekturvisionen (scheint gerade in zu sein) träumten – ein wenig sperrig – neben denjenigen von Helio Oiticia und Thomas Schütte im Kasseler Kulturbahnhof von einem zweckfreien Bauen. Wohnen und arbeiten kann man in Craigs Bauwerken nicht. Deshalb ist es vielleicht auch nicht von existenzieller Bedeutung, ob sie nun als Modell im Maßstab 1:10 und 1:5 (drei davon in der GfG) oder „in echt“ (innen oder außen in Hamburg, Münster und in Nordhorn) zu sehen sind. Wie Thomas Huber (zwar kein documenta-X-Teilnehmer, aber trotzdem bekannt), der natürlich auch schon mal in der GfG war, interessiert sich Craig für das Verhältnis von Bild und Architektur – allerdings ganz anders, viel einfacher. Wer fies ist, könnte Craig bezeichnen als eine Art Ausstellungbauer oder Kurator, mit dem der Basteltrieb durchgeht. Statt einfacher Stellwände baut er für seine Fotos kreuzartige oder tempelartige Anlagen: Die Begehung der Kunst wird vom Künstler selbst gestaltet.

„Moon pavillion“ ist eine riesige unbegehbare Blackbox, von der aus ein paar schmächtige Lichtlein aus dem Inneren nach draußen dringen, um vier Fotos zu beleuchten. „Der Zweck des Pavillions ist, die Beleuchtung“, sagt Craig. Eine recht aufwendige Art der Beleuchtung. Aber er sagt auch: „Die Fotos sind Schnappschüsse, ich kann das eigentlich gar nicht richtig, das Fotografieren.“ (taz-Fotograf Niko Wolff befand die Qualität der Abzüge fragwürdig und die Rahmung – spiegelnd und gewellt aufgezogen – lieblos.) Die Grenzen zwischen Henne und Ei, Präsentationsform und dem, was präsentiert werden soll, verschwimmen. Und die Form eines Berges auf einem der Fotos ähnelt der des Pavillons, in dem es hängt. Das alles erinnert vielleicht an Brancusi, dessen Sockel oft voluminöser als die „eigentliche“ Skulptur sind und zu deren unentfernbarem Teil wurden; eine Art sozialer Aufstieg von Sockel bzw. der Stellwand.

Fragt man Craig nach einem Vorleben als Bastler, erzählt er vom Schnitzen von Holzpferden. Von einem immerhin fünfjährigen Ingenierstudium erfährt man erst aus der Kurzbiografie. Der 39jährige lebt seit fünf Jahren in Hamburg. Die Stimmung seiner Fotos aber entsprechen eher der seiner Heimat Nordirland: Einsamer Mensch in Landschaft, einsame Getränkedose in Landschaft, die Unendlichkeit des Meeres, übelgesinnte Wolkenballungen, weißes Schrottauto vor weißem Schrotthäuschen, weißes Pferd vor weißer Holzwand. Im Unterschied zum Verrottungspathos mancher Fotos, sind die Stellwände so glatt wie die Resopalbeschichtung von Bauknecht-Küchen für Hygieneknechte. bk

Bleicherstr 55, bis 31. Oktober, Tel. 702139