Teure Arbeitsplätze bei Adtranz

■  Senat finanziert 20 neue U-Bahn-Züge für 300 Millionen Mark. Die BVG ist zum Kauf verpflichtet, obwohl sie die Züge nicht mehr braucht. 350 Arbeitsplätze werden gesichert

Knapp eine Million Mark pro Job lässt sich das Land den Erhalt von Arbeitsplätzen im gefährdeten Pankower Adtranz-Werk kosten. Der Senat beschloss gestern, den Kauf von weiteren 20 neuen U-Bahn-Zügen durch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zu finanzieren. Das teilte Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) gestern mit. Die Fahrzeuge kosten insgesamt rund 300 Millionen Mark. Die ersten sechs Züge könnten schon Ende 2000 rollen, sagte Branoner.

Mit dem Auftrag verbunden ist der Weiterbetrieb des Pankower Adtranz-Werks, das der Konzern eigentlich schließen wollte. Jetzt will Adtranz in einem Joint Venture mit dem Schweizer Schienenfahrzeugbauer Stadler 200 der ursprünglich 420 Arbeitsplätze erhalten. Weitere 150 Jobs sollen in Hennigsdorf bei Berlin entstehen.

Die BVG hatte bereits im Jahr 1992 mit Adtranz ein Vertrag über den Kauf von 115 modernen Zügen abgeschlossen, die aus jeweils sechs Wagen bestehen und durchgehend begehbar sind. 26 dieser Züge sind mittlerweile ausgeliefert und auf der U-Bahn-Linie 5 zwischen Alexanderplatz und Hönow im Einsatz.

Inzwischen hat sich aber herausgestellt, dass die BVG diese 115 Züge im Wert von 1,5 Milliarden Mark nicht benötigt – und vor allem: nicht bezahlen kann. „Damals ging man davon aus, dass Berlin stärker wachsen wird“, begründete Branoner die Fehleinschätzung. Laut Vertrag muss die BVG aber 46 Züge in jedem Fall abnehmen, nach den bereits ausgelieferten 26 Fahrzeugen also noch einmal 20.

Einen Teil der Kosten werde nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz der Bund tragen, sagte Branoner. Anders als bisher zahle das Land seinen Anteil aber nicht sofort. Stattdessen müsse die BVG einen Kredit mit einer Laufzeit von 30 Jahren aufnehmen, für den das Land Zinsen und Tilgung mindestens bis 2007 übernimmt.

Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) habe diesem Modell zugestimmt. Branoner betonte, bei diesem Verfahren entstehe kein neuer Schattenhaushalt. Zusätzliche Zinszahlungen fielen nicht an, weil auch das Land selbst den Kauf der Züge nur durch eine höhere Verschuldung hätte finanzieren können.

Auf die Frage, ob die BVG die Züge tatsächlich benötige, antwortet Branoner zunächst ausweichend. Auf mehrfache Nachfrage schob er die Begründung nach, der Wagenpark habe ohnehin erneuert werden müssen. Die BVG selbst wollte sich gestern nicht zu dem Geschäft äußern. Ralph Bollmann