Mitten in Zehlendorf

Im konservativen Villenvorort von Berlin hat es CDU-Generalsekretärin Merkel nicht leicht. Die „SED-Fortsetzungspartei“ werde zu lasch angegangen  ■   Von Ralph Bollmann

Er redet sich in Rage. Die PDS sei die „Nachfolgerin einer verbrecherischen Partei“, ruft er der CDU-Generalsekretärin Angela Merkel zu: „Sie müssen diese Burschen einfach aggressiver angehen!“ Tosender Applaus.

Wahlkampf im westlichsten der Westberliner Bezirke, in Zehlendorf – kein leichtes Pflaster für Merkel. Zwar fährt die Union in dem Villenbezirk regelmäßig beste Wahlergebnisse ein. Gleichzeitig ist der örtliche CDU-Verband ein Refugium für jene, denen zehn Jahre nach dem Fall der Mauer der Kampf gegen den Kommunismus immernoch eine Herzensangelegenheit ist. Von hier musste Klaus Landowsky, Fraktionsvorsitzender im Landesparlament und Verfechter einer „liberalen“ Großstadt-CDU, in einen anderen Bezirk flüchten, weil sein Bezirksvorsitzender Uwe Lehmann-Brauns ihm keinen Wahlkreis zugestehen wollte. Lehmann-Brauns spricht derweil von der PDS als „SED-Fortsetzungspartei“. Für ihn ist der Begriff „Nachfolgepartei“ verharmlosend.

Merkel wehrt sich: „Hier in Zehlendorf“, hält sie dem erzürnten Redner entgegen, „sind solche flammenden Sprüche ja bestens am Platz,“ Nur leider, leider erreiche die brandenburgische SPD-Sozialministerin Regine Hildebrandt, die ihre Zuneigung zur PDS nicht verstecke, unter CDU-Anhängern im Osten Sympathiewerte von 80 Prozent. Es gebe dort eine eigentümliche Mischung aus Autoritätshörigkeit und Auflehnung – ein Phänomen, von dem auch der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) profitiert habe. Gegen Kohl hätten sich die Ostdeutschen im Vorjahr entschieden, gegen Schröder in diesem Jahr. „Jetzt profitieren wir davon“, sagt Merkel. „Und Gysis Rede gegen die Ökosteuer unterschied sich nur marginal von unserern Vorstellungen.“

Eine Frau aus dem Publikum mag sich von solchen Erklärungen nicht beruhigen lassen. Ob man nichts dagegen unternehmen könne, dass PDS-Chef Lothar Bisky „in Fernsehdiskussionen das große Wort“ führe? Der Einfluss der CDU aufs Fernsehprogramm sei begrenzt, entgegnet Merkel – und hebt sogleich zu einem Exkurs an, der das Zehlendorfer Publikum sicher nicht zufrieden stellte. Über die Roten Socken ihres Vorgängers Peter Hintze habe sie sich aufgeregt, „weil außer den Bürgerrechtlern jeder DDR-Bürger ein kleines bisschen rote Socke war“. Das Plakat habe fatal gewirkt, „weil sich alle ein bisschen angesprochen fühlten“.

Die CDU, mahnt Merkel, müsse „mitten im Leben“ stehen. Dabei dürften „die Ostbezirke nicht vergessen“ werden. Wenn die Hauptstadt am 10. Oktober wählt, erwarte sie ein ordentliches Ergebnis: „Sie können nicht sagen, dass Sie keinen Rückenwind gehabt hätten.“