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Mammographie für alle Frauen ab 40

Die Mammographie ist bei der Brustkrebsvorsorge nach wie vor die Methode der Wahl. In der Hansestadt Bremen wird jetzt das erste flächendeckende Programm für die Krebsfrüherkennung aufgebaut  ■   Von Vera Stadie

Mammographie ist nach wie vor die Methode der Wahl zur Früherkennung von Brustkrebs. Ob die bösartigen Veränderungen aber rechtzeitig erkannt werden, steht und fällt mit der Qualität und der Auswertung der Röntgenaufnahmen. Viel zu häufig werden die verdächtigen Anzeichen auf der Mammographie übersehen.

„Sie sollten die Arztpraxen ihrer Wahl unter die Lupe nehmen“, dazu fordert der Sprecher der Deutschen Krebshilfe, Malte Wittwer, alle Frauen auf. Die Geräte für die Mammographie dürften nicht älter als drei Jahre sein, und die Mediziner müssten Nachweise über eine regelmäßige Fachausbildung vorlegen können. Die Qualität der Röntgenuntersuchungen müsse verbessert werden, das fordert auch der Bundesverband „Frauenselbsthilfe nach Krebs“. Dazu sei Schulung des ärztlichen und des Hilfspersonals notwendig, so die Verbandssprecherin Almuth von Wietersheim.

Während in den Niederlanden und in Schweden die betreffenden Röntgenfachärzte speziell für die Mammographie geschult sind, werden in Deutschland die Röntgenuntersuchungen der Brust häufig – sozusagen „nebenbei“ – von Ärzten durchgeführt, die keine Spezialausbildung im Mammographieren haben.

Die Mammographie steht und fällt aber mit der Auswertung der Bilder, das bestätigt auch Professor Bernd Hamm. „Ganz entscheidend ist die Erfahrung, man muss viele Mammographien gesehen haben, und am besten auch noch einen Zweiten mit raufgucken lassen“, sagt der Direktor des Instituts für Radiologie am Berliner Universitätsklinikum Charité. Hamm rät den Frauen zu fragen, wie viele Mammographien in der Praxis regelmäßig durchgeführt werden.

Eine wichtige Rolle spielt auch die Qualität der Röntgenbilder. Die Geschwulste zeigen sich in der Frühphase als winzige Kalkkristalle – Mikroverkalkungen – oder Verdichtungen im Brustgewebe. Damit diese Veränderungen erkennbar werden, muss das Röntgenbild ausreichend scharf und kontrastreich sein.

Bis zu 30 Prozent der bösartigen Geschwulste werden trotz der Erkennbarkeit im Mammogramm von Ärzten fehlinterpretiert oder übersehen, bestätigt Hamm. Zu hoch gegriffen ist jedoch nach Ansicht der Mediziner die Zahl, die die Zeitschrift Emma nennt. „In Deutschland sind zur Zeit 95 von 100 Mammographie-Befunden falsch“, meldete das Magazin im kürzlich erschienenen Dossier „Kampf gegen Brustkrebs“.

Der Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft, Professor Ulrich Mödder, Düsseldorf, weist darauf hin, dass die Aussage von Emma viele Frauen erheblich verunsichern dürfte. Mödder betont, dass die Zahl der Falschbefunde in der Mammographie in Deutschland sich nicht signifikant von denen in den USA oder anderen vergleichbaren Ländern unterscheide. Er warnt davor, eine seit Jahrzehnten bewährte Methode wie die Mammographie durch derartige Falschmeldungen zu verunglimpfen.

Die Mammographie sei die Methode der Wahl zur Früherkennung des Brustkrebs, betont auch Hamm. „Sie entlarvt Krebsknoten in der Regel viel früher als das Abtasten der Brust.“ „Diese kleinen Verkalkungen sind eben häufig nicht zu tasten, sie sind nur auf dem Röntgenbild zu entdecken“, erklärt der Berliner Radiologe. Für die Früherkennung appelliert auch die „Frauenselbsthilfe nach Krebs“. Mit einer Mammographie könne der Krebs bereits bei einem Durchmesser von drei Millimetern entdeckt werden, betont Sprecherin Wietersheim, wenn er getastet wird, habe der Knoten schon einen Durchmesser von mindestens einem Zentimeter. Wenn Brustkrebs früh entdeckt wird, das heißt in einem Stadium, wo der Tumor noch eine geringe Größe hat und noch nicht in andere Organe gestreut hat – also vor der Metastasierung – können die betroffenen Frauen oft geheilt werden. Außerdem können kleine Geschwulste oftmals unter Erhaltung der Brust operiert werden.

Mit jährlich rund 45.000 Neuerkrankungen in Deutschland ist Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Die Tendenz ist steigend. Heute erkrankt jede zehnte Frau an Brustkrebs, vor 20 Jahren war es noch jede achtzehnte Frau. Jedes Jahr sterben in Deutschland 15.000 Frauen an Brustkrebs. Mehr als ein Drittel dieser Frauen könnte am Leben bleiben, schätzt Hamm. Bei besserer Früherkennung würden die Heilungschancen um 30 bis 40 Prozent steigen.“ In der Regel wächst Brustkrebs langsam. Mammographie bietet die Möglichkeit, den Krebs frühzeitig zu erkennen und damit die Sterberate zu reduzieren.“ Der Berliner Radiologe spricht sich daher für eine jährliche Mammographie bei allen Frauen ab 40 aus.

Frauen sollten die Mammographie nach Ende der Regelblutung in der ersten Zyklushälfte machen lassen. Dann ist das Brustgewebe weniger schmerzempfindlich. Zudem lässt sich die Brust besser zusammendrücken – was für die Röntgenaufnahme erforderlich ist –, dadurch braucht man zur Durchleuchtung eine geringere Strahlendosis. Die Strahlenbelastung sei allerdings heute kein Argument mehr gegen eine regelmäßige Röntgenuntersuchung der Brust, erläutert Hamm. Prinzipiell bestehe zwar tatsächlich die Möglichkeit, dass man durch Strahlen Krebs erzeuge, aber seit Anfang der 80er-Jahre sei die Dosis auf ein Zehntel reduziert worden. „Das Risiko einer Frau, in ihrem Leben an Brustkrebs zu erkranken, liegt inzwischen bei 10 Prozent. Eine von zehn Frauen erkrankt. Und das Risiko, durch eine jährliche Mammographie Brustkrebs zu kriegen, steigt für eine Frau über 20 Jahre um 0,06 Prozent.“

Unsere Nachbarinnen haben eindeutig bessere Überlebenschancen. Während in Deutschland 75 Prozent der Frauen ihren Brustkrebs selbst ertasten, wenn er schon größer ist, werden beispielsweise in den Niederlanden bis zu 70 Prozent der Knoten in der Brust bei der Mammographie im Frühstadium entdeckt. In Holland gibt es ein systematisches Früherkennungsprogramm, das sogenannte Mammographie-Screening. Zunächst werden in einem Wohngebiet Einladungsschreiben an die Einwohnerinnen verschickt, dann kommt eine fahrbare Mammographie-Station, das Mammobil, in die betreffende Region. Auch in Schweden wird diese Methode seit über 20 Jahren erfolgreich eingesetzt. Dort ist es so gelungen, die Todesrate um über 30 Prozent zu reduzieren. Schon seit 1994 gibt es europäische Leitlinien für ein solches Screening. Die teilnehmenden Ärzte müssen sich gewissen Qualitätskriterien unterwerfen. Ihre Befunde und die Bildqualität werden regelmäßig überprüft. In den USA, England, Irland, Finnland, Norwegen, Australien, Neuseeland, Kanada und weiteren Ländern werden die Frauen regelmäßig mit Mamma-Screening untersucht.

In Deutschland hingegen gehört die Mammographie nicht zum gesetzlichen Früherkennungsprogramm. Bei begründetem Verdacht kann der Frauenarzt die Patientin in eine radiologische Praxis zur Mammographie überweisen. Wenn auf dem Überweisungsschein so etwas steht wie „Unklarer Tastbefund“, zahlen die Kassen die Röntgenuntersuchung der Brust.

Eine bundesweit einmalige Chance bekommen jetzt alle Bremer Frauen zwischen 50 und 70 Jahren. Sie sind aufgerufen, sich in einem Pilot-Projekt auf Brustkrebs untersuchen zu lassen. In der Hansestadt soll das erste flächendeckende Programm für die Krebsfrüherkennung aufgebaut werden. Das vom Centrum für Medizinische Diagnosesysteme und Visualisierung (Mevis) an der Bremer Universität organisierte Modellvorhaben ist zunächst auf drei Jahre angelegt. Das Mevis-Institut will rund 70.000 Frauen untersuchen lassen. Neu ist in diesem Zusammenhang nach Angaben des Projektleiters, Professor Heinz-Otto Pleitgen, der Doppelbefund: Zwei speziell ausgebildete Radiologen bewerten unabhängig voneinander das Untersuchungsergebnis.

Immer mehr Frauen fordern bundesweite Reihenuntersuchungen auf Brustkrebs. Vor allem im Oktober, dem internationalen Brustkrebs-Monat, wollen sie zum Kampf gegen Brustkrebs mobil machen. Eine von ihnen ist Almuth von Wietersheim. Die Sprecherin von „Frauenselbsthilfe nach Krebs“ sagt: „Mehr Zentren für Reihenuntersuchungen mit gut ausgebildeten Fachkräften und Doppelbefunden durch mindestens zwei Mediziner sowie eine bessere Qualität der Aufnahmen bei der Mammographie könnten das Leben vieler Frauen verlängern.“ Infos: Frauen gegen Brustkrebs „Konzertierte Aktion Brustkrebs“, bundesweites Frauen-Netzwerk, c/o Helga Ebel, Krebsberatungsstelle des DPWV, Holzgraben 10, 52062 Aachen, Tel. (02 41) 47 48 80

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