Philosophenkönige tragen Dolch im Gewand

■ Berliner Tagung diskutiert Reformmodell für Unis: Hochschulräte als Kreis der Weisen

Berlin (taz) – Am „Tag der Universität“ verkündete der Manager das Ende der akademischen Einrichtung, wie man sie bisher kannte. Die Universität Augsburg müsse sich auf ihre „Kernkompetenzen“ konzentrieren, verkündete Manfred Scholz Ende August. Die Hochschulangehörigen erfuhren auch, was der Finanzchef des Papierherstellers Haindl damit meinte: Die Fächer Jura und Betriebswirtschaft wolle er pushen, die früheren geisteswissenschaftlichen Schwerpunkte der Philosophischen Fakultäten könnten notfalls wegfallen.

Der Schreck in der Schwaben-Metropole war danach groß, weil Scholz nicht irgendeine Privatmeinung kundtat. Der Haindl-Manager ist Chef des neu gegründeten Hochschulrats, der künftig entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Universität hat. Bayerns Hochschulräte genehmigen den Haushalt der Uni und sind an der Wahl des Rektors beteiligt. Vor allem aber sollen die Räte die Profilbildung der Hochschulen vorantreiben.

Zu diesem Programm bekannte sich gestern in Berlin eine Runde aus „Wirtschaft, Politik und Hochschule“. Die Herren tagten so, wie es auch Hochschulräte zu tun pflegen: hinter verschlossenen Türen. „Nur wenn sie frei und ungeschützt reden dürfen“, verteidigte der Vorsitzende der Hochschulrektorenkonferenz, Klaus Landfried, die Geheimsitzungen, „können die Hochschulräte zusammenhängende Argumentationen für die Zukunft der Hochschulen entwickeln.“ Ansonsten war die Haltung der Tagungsteilnehmer zum neuen Königskabinett der Unis eher nachdenklich.

„Ein Hochschulrat mit Entscheidungsbefugnis kann viel kaputtmachen“, wiegte Gerhard Paul den Kopf. Der BASF-Topmanager Paul ist Vorsitzender des Hochschulrates Regensburg, und er hat erlebt, „dass man in eine im Prinzip demokratische Einrichtung wie die Universität nicht einfach reinschlagen kann“. Paul und seine fünf Mitstreiter wollten an der Hochschule eine Computergrundausbildung anbieten – für alle Studierenden. Der Informatikfachbereich sah sich prompt aufgerufen, nun aus jedem Studiosus einen Informatikspezialisten zu machen. Der Hochschulrat intervenierte – erfolgreich.

Die entscheidende Frage umkurvten Politiker, Professoren und Bosse mehr oder weniger elegant: Soll der Hochschulrat entscheiden dürfen? Das Gremium, idealerweise angelegt als eine Runde argloser Philosophenkönige, kann schnell zum Tummelplatz der Königsmörder werden. An der kleinen Hochschule Vechta in Niedersachsen wollte der Hochschulrat die Totalumstellung der Miniatur-Uni durchsetzen – und legte sich mit Hochschule und Kultusbürokratie gleichermaßen an. Erst der balkanerprobte Krisenvermittler Hans Koschnick konnte die aufgeheizte Stimmung entschärfen.

Es gehe um einen Kulturwandel, formulierte Deutschlands Oberrektor Landfried denn auch vorsichtig. Der Rat solle als „Katalysator der weiteren Entwicklung wirken“, sagte er. Damit es an den Unis nicht mehr nur die Alternative „ordre de mufti“ oder „endlose Beratungsprozesse“ gebe.

Für die Studenten ist die Sache vergleichsweise klar. Sie schätzen den Hochschulrat als industriedominiert ein. An der TU München etwa sitzen bei sieben Mitgliedern die Top Vier der bayerischen Industrie (BMW, Siemens, Allianz, Viag) mit am Tisch – moderiert von Wirtschaftsberater Roland Berger. „Wir wollen nicht, dass die Uni in Champions League und Regionalliga aufgeteilt wird“, sagt der Augsburger Studentensprecher Max Schimmel. Die Zukunft der Uni sei interdisziplinär – „und dazu braucht man alle Fakultäten“.

Christian Füller