Die Welt als Tischfußballspiel

■ In dem Jungsfilm Absolute Giganten beweist Sebastian Schipper viel Mut zur Überlebensgröße, zur Miniatur und zur Albernheit

Über eine idyllische Wiese, so satt grün und künstlich wie es nur im Kino sein kann, geht Floyd, unter dem Arm eine Gitarre. Mit einem Kameraschwenk gibt diese den Blick auf sein Ziel frei: ein trostloses Hochhausghetto in Hamburgs Süden. Dicht beieinander liegen in Absolute Giganten Himmel und Hölle – in einer einzigen Einstellung und einem einzigen Moment voller Pathos, ohne sich mit dem Netz des pseudo-coolen Ironie-Gehabes abzusichern.

Viel riskiert hat Sebastian Schipper mit seinem Debütfilm, und viel riskiert hat auch die Produktionsfirma X-Filme, die ihren Namenszusatz „Creative Pool“ als Talent-Sammelbecken immer mehr umsetzt: Nachdem Schipper in Winterschläfer und Lola rennt für Tom Tykwer vor der Kamera stand, produzierte dieser jetzt Schippers Erstling. Eines hat Absolute Giganten mit Sicherheit, das den meisten Filmen, nicht nur den deutschen, der letzten Zeit abgeht: Mut – Mut zur Überlebensgröße und zur Miniatur, zur Albernheit und zur Bodenlosigkeit. Das geht auch gelegentlich daneben und schießt übers Ziel hi-naus, aber langweilig ist es keine Sekunde.

Von drei Jungs aus der „Siedlung“ wird erzählt, von Walter (Antoine Monot), der sich als Automechaniker mit seinem Chef plagen muss, von Ricco (Florian Lukas), der nach seiner Schicht als Burger-Brater von seinen kleinen Brüdern gefragt wird, ob Godzilla schlimmer als Hitler sei, und von Floyd (Frank Liering), der aus Hamburg weggehen will und damit die Geschichte ins Rollen bringt. Behutsam und konzentriert wird das Trio eingeführt: Man sieht die drei bei der Arbeit, man sieht die drei zuhause und dann sind sie auch schon unterwegs. Nur wohin? Das fragen sie sich schon vor dem Losfahren in Walters Ford Granada mit V 8-Motor, dem „beschleunigungsstärksten auf Hamburgs Straßen“.

Noch einmal etwas erleben wollen die drei Freunde in der letzten Nacht, aber in die Euphorie mischt sich immer wieder Melancholie und nach einem lebensgroßen Fußballspiel im Schlamm und einem überlebensgroßen Elvis bleibt nur noch ein von Kameramann Frank Griebe atemberaubend fotografiertes Tischfußball, um die Nacht doch noch zum Besseren zu wenden. Walter hat seine Lektion gelernt: Wer die Regeln bestimmt, gewinnt das Spiel. Kicker will never be the same.

Absolute Giganten beschreibt weniger das „Jung-Sein“ in der Großstadt als vielmehr das „Jungs-Sein“ zwischen Fußball, Autos und dem großen Kick. Dabei bleibt es auch, als Telsa (Julia Hammer) in der Rolle der kleinen Schwester dazukommt und dem Trio noch eine Probe ihrer Verantwortung abverlangt. Ein Jungsfilm – aber einer, der lange im Gedächtnis bleibt.

Malte Hagener