Pralinen als Köder für die BVG

■  Unterstützung für Obachlosenzeitungen wächst: SPD und Ökumenischer Rat fordern BVG auf, den Verkauf in Zügen zuzulassen. „motz“-Redaktion verteilt heute Pralinen

Die SPD hat wenige Wochen vor der Wahl ein neues Wahlkampfthema entdeckt: Obdachlose Zeitungsverkäufer. Die Sozialdemokraten wollen, dass das ständige Katz-und-Maus-Spiel zwischen der BVG und den VerkäuferInnen von Obdachlosenzeitungen endlich ein Ende hat. In Briefen hat die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Stadtentwicklungssenator Peter Strieder und der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Veit die BVG aufgefordert, den Verkauf in den U-Bahnen und auf den Bahnhöfen zu legalisieren. Auch die Armutskonferenz des Ökumenischen Rates hat an die BVG appelliert, den Verkauf in Zügen zuzulassen.

Wie berichtet, hatten sich die BVG, die Deutsche Bahn und die S-Bahn vor wenigen Wochen mit der Strassenzeitung darauf geeinigt, dass das Blatt nur noch an Bahnhofseingängen, nicht aber in Zügen, auf Bahnsteigen und Treppen verkauft werden darf. Die motz, die ebenfalls von Obdachlosen gemacht wird und nicht an den Verhandlungen beteiligt war, hatte diese Vereinbarung scharf kritisiert. Deshalb hat die Redaktion die Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses aufgefordert, sich für einen Verkauf in den Zügen stark zu machen.

„Zu einer Metropole wie Berlin gehören leider auch arme und obdachlose Menschen“, heißt es in Strieders Brief an den BVG-Vorstandsvorsitzenden Rüdiger vorm Walde, „doch durch Vertreibung aus dem öffentlichen Raum und damit aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit ist diesen Menschen nicht geholfen“. Stattdessen sei es sinnvoll, Selbsthilfeprojekte wie die motz zu unterstützen, „die den Ärmsten in der Stadt neben Schlafplätzen und einem kleinen legalen Verdienst auch die Möglichkeit geben, mit der Öffentlichkeit über ihre Probleme zu kommunizieren“.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Hans-Peter Seitz, forderte die Verkehrsbetriebe auf, zu berücksichtigen „dass für die Verkäufer von Obdachlosenzeitungen der Verkauf in den U-Bahn-Zügen für den Absatz der Zeitung von großer Bedeutung ist“. Schriftlich habe sich bislang nur die SPD gemeldet, sagte gestern motz-Mitarbeiter Wolfgang Terner. Die PDS habe für eine Übernachtungseinrichtung gespendet.

Die Armutskonferenz des Ökumenischen Rates, in der Verbände wie die Caritas, das Diakonische Werk und die Bahnhofsmission vertreten sind, hat ebenfalls bei der BVG protestiert. „Wenn die BVG nicht reagiert, werden wir weitere Aktionen überlegen“, kündigte die evangelische Referentin Constanze Kraft an.

Die motz-Redaktion wird heute auf mehreren Bahnhöfen Informationsblätter und Pralinen an BVG-MitarbeiterInnen verteilen und sie auffordern, „die Jagd auf Zeitungsverkäufer einzustellen“.

Sabine am Orde

Kommentar Seite 19