Eine gewisse Maushaftigkeit

■ Neues aus Moogland: Stereolab säuseln heute im ColumbiaFritz

Irgendwo zwischen Easy Listening und Klangexperiment ist ein Plätzchen, das sich Stereolab gesichert haben. Dass sie wie niemand sonst die unbeschwerte Muse mit allerlei Avantgardistischem verbinden, hat sie dereinst zum Liebling der Kritiker werden lassen. Schmalz mit Augenzwinkern, Genuss ohne Reue, das versprechen sie und lösen es immer wieder gerne ein – auch mit ihrem aktuellen zehnten Album, das „Cobra And Phases Group Play Voltage In The Milky Night“ heißt.

Wie es zu dem etwas sperrigen Titel kam, sagt viel über den aktuellen Zustand der Band aus. Man habe einen solch langen Namen für die Platte „aus grafischen Gründen gebraucht“, erzählt Oberlaborratte Tim Gane. Wer allerdings zu intensiv nach der Fusion aus Lieblichkeit und Fortschritt sucht, findet sich irgendwann bei der reinen Oberfläche wieder. Nicht umsonst wurde Musik von Stereolab schon für Werbespots von VW und Volvo verwendet.

Offenbar sind ihnen zu Hause in London solche Gedanken selbst durch den Kopf gegangen. Nachdem sie mit wahnwitzigem Veröffentlichungstempo neun Alben in nur sechs Jahren herausbrachten, hat „Cobra ...“ zwei Jahre gedauert. Vielleicht war es auch nur die Babypause, denn Laetitia Sadier und Tim Gane, die Doppelspitze des Quintetts, hat gemeinsam Nachwuchs bekommen.

So oder so: Das Japanische scheint beherrschend geworden zu sein. Es ist zwar eher selten als konkreter Sound vorhanden, aber so ein klischeemäßig fernöstliches Klingeln, eine gewisse piepsige Maushaftigkeit durchzieht selbst die Tracks, die mit avancierter Rhythmik und leicht atonalen Klängen die Erwartungen zu enttäuschen versuchen, die allgemein mit dem Namen Stereolab verbunden werden.

Ansonsten hört man Zitat der üblichen Verdächtigen: Brian Wilson, Can, Burt Bacharach. Die Streicher sind wieder prächtig arrangiert und der antike Moog spielt dazu. Einerseits: zum Verlieben auf eine sehr erwachsene, abgeklärte Art wie aus französischen Filmen. Andererseits schickt es einen mit seinem gnadenlosen Willen zur naiven Melodie zurück in eine idealisierte Kindheit, die es so nur in Träumen gibt. Grundsätzlich aber ist die Musik von Stereolab, hach, natürlich wieder vor allem wunderschön. Thomas Winkler
‚/B‘Stereolab, ab 21 Uhr, ColumbiaFritz, Columbiadamm 9 – 11