Geronnene Feindbilder

■ Der Vizepräsident des FC St. Pauli tritt zurück und die Gremien hacken weiter aufeinander ein

Das Präsidium des FC St. Pauli besteht wieder aus zwei Personen. Der Vizepräsident Wolfgang Helbing trat gestern von seinem Amt zurück. Eigentlich war Helbing von Anfang an nicht sehr erwünscht: Der Erste Vorsitzende des Millerntor-Klubs, Heinz Weisener, mochte sich vor einem Jahr, als der nun Geschiedene von den Mitgleidern gewählt wurde, nicht mit ihm zusammenarbeiten. Anfang dieses Jahres präsentierte Weisener denn überraschend einen Brief, der in seinem Safe vergessen wurde und in dem Helbing seinen Rücktritt bekanntgab.

Davon wiederum wollte der Unerwünschte nichts mehr wissen und klagte vor Gericht. Ein Vergleich wurde getroffen, in dem Helbing seinem Rückzug aus dem Präsidium zur nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung (MV) am 10. November zustimmte. Vorgestern bekannten sich Weisener und Helbing in seltener Einmütigkeit zu dieser Entscheidung. Doch nach einer längeren Sitzung mit dem Aufsichtsrat erkannte Helbing, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Führungsgremium des Vereins nicht mehr möglich sei.

Der Präsidentensprecher Florian Marten wollte diesen Ausstieg gestern nicht kommentieren: „Für uns ist es überraschend und nicht nachvollziehbar, dass Herr Helbing bereits wenige Stunden nach der Präsidiumssitzung seinen Rücktritt bekanntgibt.“ An der Sachlage ändere sich aber nichts, denn es gebe „keine Begründung jetzt jemanden kommissarisch zum Vizepräsidenten zu machen“. Auf der nächsten MV werde keine Zeit sein, eine Nachwahl vorzunehmen. Statt dessen wird den Mitglieder bereits im Januar die nächste außerordentliche Mammutsitzung zugemutet.

Der Aufsichtsrat widerspricht dieser Auffassung vehement. „Wenn der Klub einen Vertrag mit der Marketing GmbH machen will, deren Geschäftsführer Heinz Weisener ist und über den er daher nicht abstimmen darf“, legt Holger Scharf, ein Mitglied des Kontroll-gremiums, die Satzung aus, „dann muss er uns zeigen wie er mit zwei Personen eine Mehrheit zustande bekommt.“ Dem kann sich Marten nun wiederum nicht anschließen: Er könne nur allen raten die in der Tat ziemlich krude Satzung in diesem Punkt „genau zu lesen“.

Beim sportlich, finanziell und personell ohnehin gebeutelten FC St. Pauli verlaufen die Gräben zur Zeit ziemlich willkürlich. Fans schelten via Internet den einstmals so beliebten Aufsichtsrat, der wiederum zu Teilen mit Trainer Willi Reimann nicht zufrieden ist. Auch die Spieler kommen mit ihrem Coach nicht klar. „Wir müssen unter seinen Launen leiden“, heißt es aus Kickerkreisen, während Reimann nach dem katastrophalen Match gegen Mönchengladbach resigniert seine Jungs niederbügelte. Unterstützung erhält er wiederum vom Präsidium, dass versprochen hat, treu zum ihm zu halten. Und neben allem steht das Fanzine „Übersteiger“ und feixt über die Strukturen.

Wie die geronnenen Feindbilder aufzubrechen sind, darüber brütet man in Präsidium, Aufsichtsrat, Fankreisen und Marketing. Solange aber nur Formalien wie Terminabsprachen und Eifersüchteleien Grundlage der Diskussion, oder besser des Streits bleiben, wird sich beim FC St. Pauli grundsätzlich nichts ändern. Eberhard Spohd