Kopfstand in die Freiheit

■ Wieder kommt eine US-Tanzshow nach Bremen: Cool heat urban beat zeigen furiose Soli aus Hip Hop und Tap und brennen ein Feuerwerk mit Fehlzündungen ab

Die Leute von Stomp kamen mit Besen, Mülleimern und einer ganzen Wand voller Percussion aus Schrott. Die Tap Dogs brachten aus ihrer australischen Stahlkocherheimat jede Menge Machismo, ihre Flexe und die halbe Ausstattung einer Schlosserei mit. Die Gruppe Cool heat urban beat dagegen kommt fast ohne Gepäck für das Bühnenbild daher. Die zwölf Tänzer und zwei Musiker brauchen für ihre Show aus Jazz Tap, Hip Hop und Break Dance nur die leere Bühne des Pier 2. Ein Feuerwerk werden sie beim ersten Deutschland-Gastspiel darauf abbrennen, doch es hat jede Menge Fehlzündungen.

Die Musikvideos sind voll von diesen oft pummeligen Typen mit ihren Oversized-Klamotten. Seit Hip Hop Pop geworden ist, lässt die Industrie die Rapper und Tänzer, die morgen schon keiner mehr kennt, vom Fließband direkt vor die Kameras von MTV laufen. Das Rotz-freche und das Kräftemessen innerhalb und unter den Gangs flimmert in immergleichen Fisheye-Bildern, Schnitten und Grimassen als Attitüde in den Clips. Zum Glück haben die dagegen wie College-Absolventen wirkenden und nicht mehr jugendlichen Jungs von Cool heat urban beat mit diesen Klonen genauso wenig zu tun wie mit den Dollys aus den irischen Tanz-shows, die zurzeit die grüne Insel entvölkern.

Cool heat urban beat sind eigentlich zwei Ensembles. Die neunköpfige Hip Hopper-Gruppe um den Choreographen und Tänzer Rennie Harris und die drei Tap Tänzer um den begnadet virtuosen und geschmeidigen Herbin van Cayseele wissen, womit sie es zu tun haben. „We are free at last“, lautet die simple Botschaft, und der Weg zur Freiheit hat nicht nur einen, sondern viele Rhythmen. Zugleich spielerisch leicht und mit stilistischem Hintergrundwissen zappen sich die Jungs durch die schwarzen Tänze zwischen US-Ostküste und Karibik.

Dass zwei Weiße ganz einfach, weil unproblematisiert dabei sind, ist nur ein Zeichen dafür, dass heutzutage sowieso Alle Alles voneinander abgucken. Und so ist auch die Musik ein bunter Mix aus New Soul, Trip-Hop-Elementen, Scratching, Mambo, Percussion und einem unverpoppten afrikanischen Stück.

Was in den Videoclips nervtötende Attitüde ist, ist bei Cool heat urban beat ein Sammelsurium von ironisierten Zitaten. Die zwölf Tänzer persiflieren das Ghetto- und Gangsta-Gehabe. Einmal sind die Tänzer wie aus dem „Benetton for Kids“-Shop eingekleidet, und einer trägt sogar eine Krümelmonster-Puppe mit sich herum. Später ironisiert ein Anderer das Bild der dicken, hüftschaukelnden schwarzen Mama, um kurz darauf von einem Mambo-Clown abgelöst zu werden. Diese witzigen, na, sagen wir lieber: heiteren Elemente sind die Zutat für eine Tanzshow, in der Tap Dance und die Tänze des Hip Hop erst gegenübergestellt und dann – so weit es geht – verschmolzen werden. Nach einem furiosen, auch auf der Bühnentreppe getanzten Solo holt sich der Tap Dancer van Cayseele einen Hip Hopper auf die Bühne. Dieser tumb wirkende Riese entpuppt sich nach Sekunden als fast so beweglich wie ein Schlangenmensch. Es ist eben auch im Hip Hop nichts so, wie es beim ersten Eindruck zu sein scheint.

Doch trotz dieser furiosen Szenen fehlt der Show in den langen ersten von insgesamt hundert Minuten der Drive, der choreographische Zusammenhang. Wie man das offensichtlich Zusammenhanglose doch zusammenbindet, könnten sich diese jungen Choreographen gleich in Bremen abgucken: Susanne Linke und Urs Dietrich vom Bremer Tanztheater wissen, wie man so etwas vorzüglich macht. Doch bis zu dieser empfehlenswerten Lesson in Choreography zerfranst die Show vor dem Feuerwerk in eine Nummernrevue, in der auch der Percussionist Daniel Moreno ein kleines und der DJ Mizery an den Plattenspielern ein rasantes Scratcher-Solo hat. Reichlich beliebig folgt bei Cool heat urban beat Solo auf Ensembleszene. Erst in der zweiten Hälfte gewinnt die Show an Tempo und die Choreographie an Schlüssigkeit. Jetzt wird die Bühne zum Bürgersteig für den großen Wettstreit der Hip Hopper mit ihren Kopfstand-Pirouetten, Schulterkreiseln und Handstandtänzen. Zurück auf dem Sidewalk beginnt die Show zu strahlen und ist doch bloß eine gute Hip Hop-Show. Von einem Melting Pot der Tänze oder einer Weiterentwicklung ist jetzt nicht mehr viel zu sehen. Schade, denn diese Tänzer könnten sehr viel mehr. Christoph Köster

Aufführungen 24. sowie vom 28.9. bis 1.10. und am 2., 3. und 5.10. um 20 Uhr, am 25.9. um 19 und um 23 Uhr, am 1.10. auch um 24 Uhr und am 3.10. um 15 Uhr im Pier 2