Hängende Gärten, Maulwurfshügel

■ Investor attacks: Das Atelier Panzerhalle in Groß Glienicke soll geschleift werden

Einst trugen Bäume die Paläste. Unten standen die Stämme aus Basen auf Stein, oben breitete sich das Wurzelwerk als Kapitell aus. Daran erinnert der Wald aus kopfunter hängenden Birken und hölzernen Königen, den Lothar Seruset in der hohen Panzerhalle des Atelierhauses Groß Glienicke aufgebaut hat. Tritt man zwischen die kantig rauhen Figuren und die glatten Stämme, glaubt man bald an Metamorphosen zwischen Mensch und Baum. Die Gaben, die Serusets „Fünf Weisen“ aus dem Dickicht heraus tragen, markieren die Schnittstelle zwischen Natur und Kultur. Ob aber ein Gleichgewicht gelingt oder den Bäumen das Mark ausgesogen wird, bleibt offen.

Als Propheten für die Zukunft des Atelierhauses Panzerhalle äußern sich die „Fünf Weisen“ nicht. Im März 2000 laufen die Mietverträge für die über zwanzig Künstler aus, die Anfang der Neunzigerjahre in die Panzer-Reparaturwerkstatt des geräumten Kasernengeländes der NVA gezogen sind. In den Plänen des Investors Gewobag, der dieses Jahr mit den Vorbereitungen für den Bau von 600 Wohnungen für Bundesbedienstete beginnen will, ist kein Atelierhaus vorgesehen. Zwar hat die selbstverwaltete Ateliergemeinschaft in den letzten vier Jahren mit Ausstellungen und offenen Ateliertagen erfolgreich für sich geworben und vom Kulturministerium Brandenburg und der Gemeinde Groß Glienicke Unterstützung erhalten. Das reichte aber nicht aus, die Produktionsstätte auf Dauer durch eine verbindliche Aufnahme in den Bebauungsplan zu sichern.

In früheren Ausstellungen setzten sich die Künstler mit der militärischen Vergangenheit des Ortes und der Situation des Umbruchs auseinander. Mit den „Hängenden Gärten“ greifen sie nun die Situation der Unsicherheit auf und bemühen tapferen Optimismus.

Chinesische Nachtigallen aus Plüsch, die bei Erschütterung zu zwitschern anfangen, hat Sigrid Becker auf eine Leiter gesetzt, auf der Kinder am Eröffnungsabend mit den Vögeln um die Wette pfiffen. Eine andere Gruppe hockte matschend und backend auf einer Spur aus Mehl, die Frauke Danzer zu dem verfallenen Heizhaus gezogen hatte. Die Rückkehr des Lebendigen, von der Danzer in den Ruinen erzählen wollte, hätte kaum beiläufiger in die Tat umgesetzt werden können.

Ganz wörtlich erfüllt Christine Schlegel die Vorstellung „Hängender Gärten“. Seit Jahren beschäftigt sie das Thema Reservate, das von der Schutzbedürftigkeit des eigentlich Selbstverständlichen erzählt. Mit Laub gefüllte Netze baumeln von der Decke, aus denen Gras in luftiger Höhe wächst. Dazwischen hängen Krötenleder, die früher zu Handtaschen verarbeitet wurden, auf Puppenkleiderbügeln. Den Kopf kann man in eine grasüberwachsene Haube stecken und sich wie ein Maulwurf fühlen. Als das Ursprüngliche verklärt wird die Natur dabei nicht. Die Mischformen zwischen Kultur und Organischem verdeutlichen vielmehr, wie sehr unsere Vorstellung von Natur von unserer Gegenwart geprägt ist.

Kletterranken aus ausrangierten Telefonen, Wellen aus Wellblech, Aderngeflecht und Wurzelwerk: Überall in der Ausstellung bemerkt man diese Verzahnung. Als ob der Wald, der vor den Ateliertüren wächst, sich an die Kunst heranpirscht. Katrin Bettina Müller

Atelierhaus Panzerhalle, Seeburger Chaussee 2, 14476 Groß Glienicke, geöffnet am 25. und 26. September, 2. und 3. Oktober, jeweils 14 bis19 Uhr.