Neue Milliardenklage gegen Tabak

■ Nach den US-Bundesstaaten will sich nun die Regierung die Behandlung erkrankter Raucher von den Konzernen bezahlen lassen

Washington (dpa/rtr) – Das US-Justizministerium hat am Mittwoch die Tabakindustrie auf milliardenschwere Schadenersatzzahlungen verklagt. Sie will ihre Kosten für die Behandlung erkrankter Raucher in Rechnung stellen. „Jedes Jahr geben die amerikanischen Steuerzahler Milliarden von Dollar wegen der Handlungsweise der Zigarettenunternehmen aus. Mit unserer Klage von heute sollen diese Kosten wieder eingefahren werden“, sagte Justizministerin Janet Reno.

Rauchen sei die größte vermeidbare Ursache von Tod und Krankheit, sagte Reno. Mehr als 45 Jahre lang hätten die Zigarettenfirmen ohne Rücksicht auf Wahrheit, Gesetz und Gesundheit der Amerikaner ihr Geschäft betrieben und dazu sogar Verabredungen getroffen. Pro Jahr seien der Bundeskasse Kosten in Höhe von etwa 22 Milliarden Dollar im Bereich der Gesundheitsfürsorge entstanden.

Die Klage richtet unter anderem gegen Philip Morris, RJ Reynolds, die Sparte Brown & Williamson von Britisch American Tobacco (B.A.T.) und Ligget.

Von Präsident Bill Clinton wurde die neue Attacke auf die Tabakindustrie ausdrücklich unterstützt. Erst 1998 hatte sich die Branche zu der Zahlung von 206 Milliarden Dollar an 46 US-Staaten in einem Zeitraum von 25 Jahren bereit erklärt. Im Gegenzug verzichteten diese Staaten darauf, gerichtlich die Rückerstattung von Behandlungskosten einzufordern.

Diesmal will die amerikanische Tabakindustrie den Rechtsstreit ausfechten und sich nicht wie in früheren Fällen auf einen Vergleich einlassen. Die Entschädigungsklage sei politisch motiviert, es gebe dafür keine gesetzliche Grundlage, hieß es in fast gleich lautenden Erklärungen von betroffenen Unternehmen am Mittwoch in Washington. Ein Sprecher des weltweit größten Herstellers von Tabakprodukten, Philip Morris, nannte die Argumentation der Regierung heuchlerisch, weil bereits seit 1966 auf Anordnung der Regierung Zigarettenpackungen mit Gesundheitswarnungen versehen werden müssten. Prompt verlor die Philip-Morris-Aktie an der New Yorker Börse 3,16 Prozent.

„Kein Unternehmen kann sich mehr sicher fühlen, wenn das Justizministerium seine Macht dafür gebraucht, seine Einnahmen zu erhöhen und auf politischer Ebene Punkte zu sammeln“, machte Bruce Josten, Vizepräsident der amerikanischen Handelskammer, Stimmung.

Auch der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, George Bush, versucht, aus dem Vorhaben der Regierung Kapital für seinen Wahlkampf herauszuschlagen. Bush hoffe, dass die die Ära der großen Regierungen nicht abgelöst werde von der Ära der großen Prozesse, sagte einer seiner Sprecher.