Vertröstet auf den Tag X – Rumänien ist es gewohnt

Wirtschaft bleibt hinter den Erwartungen zurück. Nun auch noch ausländische Investoren verärgert  ■   Aus Bukarest Barbara Oertel

Durch die Politik des IWF fühlen sich Privatunternehmer stranguliert. In so einem Umfeld können sie sich nicht entwickeln.

Wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder heute dem rumänischen Parlament seine Aufwartung macht, dürfen sich die Politiker zwar geschmeichelt fühlen. Handfeste Ergebnisse oder finanzielle Zusagen jedoch werden bei der zweitägigen Balkankurztournee ausbleiben, zumal der Kanzler diesmal keine hochrangigen Wirtschaftsfachleute und Unternehmer im Schlepptau hat.

Mittlerweile haben sich die Rumänen daran gewöhnt, mit warmen, ermunternden Worten abgespeist und im Hinblick auf eine Integration in die Europäische Union auf den Tag X vertröstet zu werden. Sehr zum Leidwesen der Regierung, die, seit nunmehr drei Jahren im Amt, im Bereich wirtschaftlicher Reformen bislang nur wenig Vorzeigbares präsentieren kann.

So weisen die Statistiken der rumänischen Industrie- und Handelskammer für die Jahre 1990 bis 1999 (Stand vom Juni) ausländische Investitionen im Gesamtwert von 5,7 Milliarden Dollar aus. Im gleichen Zeitraum verzeichnete Tschechien mit 11,4 Milliarden Dollar das Doppelte an Investitionen. Dabei liegt Holland mit Investionen von rund 641 Millionen Dollar in Rumänien an der Spitze, gefolgt von Großbritannien mit 539 Millionen und Deutschland mit 517 Millionen Dollar. Doch dieses Engagement reicht bei weitem nicht aus. Denn rumänische Firmen sind hoffnungslos unterkapitalisiert und, wollen sie ihre Produkte verkaufsfähig machen, mehr denn je auf ausländisches Kapital angewiesen.

Im vergangenen Jahr verabschiedete die Regierung ein Gesetz zur Föderung von Direktinvestitionen. Das Gesetz sah unter anderem zeitlich befristete Vergünstigungen für Investoren vor, wie zum Beispiel die Befreiung von Zollgebühren und Mehrwertsteuer. Nur leider hatte die Koalition das Gesetz ohne den Internationalen WährungsfondS (IWF) gemacht und wohl für kurze Zeit vergessen, dass in Rumänien, wie in anderen Transformationsländern auch, Vertreter der internationalen Finanzorganisationen mit am Kabinettstisch sitzen. Im Rahmen der von ihm geforderten strikten Haushaltsdisziplin und als Vorbedingung für weitere Kredite forderte der IWF die Aussetzung der Vergünstigungen.

Die Regierung stand mit dem Rücken zur Wand und besserte im Mai nach. Danach werden erst Investitionen ab 50 Millionen Dollar von Zollgebühren sowie Mehrwert- und Gewinnsteuer befreit. Jedoch gelten diese Vergünstigungen nicht automatisch, sondern die Regierung entscheidet von Fall zu Fall. Diese Regelung genügte dem IWF. Ein weiterer Kredit in Höhe von 545 Millionen Dollar ist schon knapp zur Hälfte ausbezahlt.

Mit dem IWF-Abkommen wurde auch der Weg für weitere Kredite frei. So stellten sowohl die EU als auch die Weltbank Rumänien Kredite in Höhe von 200 Millionen Euro beziehungsweise 300 Millionen Dollar zur Verfügung.

Doch damit sind die Probleme keinesfalls gelöst. Im Gegenteil: potentielle Investoren sind durch die nachträgliche Änderung der Bedingungen erneut verunsichert, laufende Projekte vielleicht sogar gefährdet. So entschloss sich die Firma Continental AG mit Sitz in Hannover im vergangenen Jahr, an die 100 Millionen Dollar in die Reifenproduktion zu investieren. Im Februar dieses Jahres wurde im westrumänischen Timisoara der Grundstein für das Werk gelegt. Zwar wurde bislang kein Baustopp verfügt, jedoch in Bukarest um etwaige Vergünstigungen hart gerungen.

Dabei besteht die Continental auf bereits erteilte Zusagen über Vergünstigungen im Rahmen ihrer Investition. „Wir sind zuversichtlich, dass die Gespräche noch etwas bewegen können“, sagt Peter Schwerdtmann, Pressesprecher der Continental. „Wie bei allen Projekten gibt es natürlich auch hier Rückzugsszenarien. Aber die stehen derzeit noch nicht zur Debatte“, so Schwerdtmann.

Noch nicht. Doch die Frage bleibt, ob die IWF-Vorgaben die Bemühungen, Investoren nach Rumänien zu holen, mittelfristig nicht torpedieren. „Die Politik des IWF ist keine Entwicklungspolitik für die Wirtschaft“, sagt Cristina Nitescu, Stellvertreterin des Delegierten der Deutschen Wirtschaft in Rumänien. „Die Privatunternehmer fühlen sich stranguliert und können sich in solch einem Umfeld gar nicht entwickeln.“

Auch Ilie Serbanescu, bis zum vergangenen Jahr noch Minister für Reformen und jetzt Vizepräsident der rumänischen Wirtschaftsgesellschaft, hat so seine Zweifel an der Effektivität der IWF-Politik. „Der IWF hat nur einige, bestimmte Rezepte anzubieten, die aber mit der Realität in Rumänien nichts zu tun haben. Die formulierten Ziele sind zwar korrekt und notwendig, könen unter den derzeitigen Bedingungen jedoch gar nicht erreicht werden.“ Gleichzeitig sei das Problem, dass sich Rumänien nicht einfach von den internationalen Finanzorganisationen verabschieden könne.

Die Zahlen sprechen für Serbanescus Einschätzung. So darf das Bruttoinlandsprodukt laut Vorgaben des IWF in diesem Jahr in Rumänien im Vergleich zum Vorjahr nur um 3,5 Prozent sinken. 3,9 Prozent sind schon jetzt erreicht. Auch das Haushaltsdefizit, ohne Einnahmen aus der Privatisierung auf 3,9 Prozent veranschlagt, liegt bereits jetzt um 40 Prozent höher.

Doch ohnehin scheint Serbanescu längst in das Lager der Pessimisten gewechselt zu sein. „Den Westen interessiert Rumänien einfach nicht, wohl auch deshalb, weil das Land geostrategisch völlig unbedeutend ist“, sagt er. „Doch dann sollte man den Leuten lieber die Wahrheit sagen, als mit ihren Illusionen zu spielen.“