Beim Aufbau Ost wird gekürzt

Bundesregierung in der Kritik – verweist aber darauf, dass es mehr Geld gibt als unter Kohl. Gespart wird vor allem bei Arbeitsmarktpolitik und Eisenbahnbau  ■   Aus Dresden Nick Reimer

Als Rolf Schwanitz am Sonntag kurz vor 18 Uhr den Fraktionssaal der sächsischen SPD betrat, sah er so aus, als wüsste er, was ihm bevorsteht: Prügel nach der ersten Wahlhochrechnung. Ähnlich dürfte sich Schwanitz gestern nach der Lektüre der Märkischen Allgemeinen gefühlt haben. Die hatte berichtet, dass beim Aufbau Ost – für den Schwanitz als Staatsminister verantwortlich zeichnet – im kommenden Haushalt 2,75 Milliarden Mark weniger eingestellt werden als derzeit. Schwanitz blieb nur, diese Zahl zu bestätigen.

Im Einzelnen werden 2000 etwa 1,8 Mrd. Mark weniger für die Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung stehen, der Topf „regionale Wirtschaftsstruktur“ wird um 285 Millionen ärmer, 42 Millionen Mark weniger gibt es für Forschung und Unternehmensgründungen. Eine halbe Milliarde Mark steuert die Streichung beim Eisenbahnbau bei, der Kultur fehlen 50 Millionen. Laut der CDU sollen auch noch 200 Millionen beim Sozialen Wohnungsbau wegfallen. So weit die Zahlen. Folgen die Prügel.

Der frühere Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) erklärte, die Pläne seinen „glatte Wählertäuschung“. Schon die allgemeinen Kürzungen im Sparpaket bei „Arbeitslosen, ABM und Rentnern treffen die neuen Bundesländer überproportional stark.“

Für den stellvertretenden Unionsfraktionschef und Sprecher der ostdeutschen Bundestagsabgeordneten, Michael Luther, ist klar, dass noch längst nicht alle Sparkarten auf dem Tisch liegen. So blieben beispielsweise die massiven Kürzungen bei der Treuhand-Nachfolgeanstalt BvS unberücksichtigt, die nach Luther knapp eine Milliarde Mark ausmachen. „In den entscheidenden Politikfeldern liegen die Haushaltsansätze 2000 sogar deutlich unter denen des letzten Kohl-Jahres“, so Luther.

„Es gibt sehr wohl Einsparpotentiale“, sagte Wulf Gallert, parlamentarischer Geschäftsführer der Sachsen-Anhaltiner PDS. Bei bestimmten Verkehrsprojekten beispielsweise oder bei einer Reihe von Förderprogrammen, bei denen es den Ost-Ländern zunehmend schwer fällt, die Kofinanzierung beizusteuern. Dort solle gespart werden, nicht bei der Arbeitsmarktförderung, so Gallert. „Das ist in höchstem Maße kontraproduktiv“. Viele, die wegen der verminderten Förderung arbeitslos werden, wären über kurz oder lang auf die Arbeitslosenhilfe der Kommunen angewiesen. „Der Bund spart auf Kosten der Kommunen“, so Gallert.

Gestern konnte sich Schwanitz allerdings – anders als am Sonntag – gegen die Prügel wehren. Er verwies darauf, dass die Mittel für den Aufbau Ost sowohl für 1999 als auch für 2000 eine steigende Tendenz im Vergleich zu 1998 aufwiesen. In diesem Jahr würden vier und im nächsten drei Milliarden Mark mehr dafür ausgegeben als 1998 unter Helmut Kohl.

Die Verteidigung dürfte nicht ausreichen. Michael Luther kündigte „eine peinliche Befragung im Bundestagsausschuss für die neuen Länder an“. „Vielleicht“, fragte Luther süffisant, „kommt dann schon die neue Staatsministerin Hildebrandt?“