taz-LeserInnen-Aktion

Nach einem Jahr Rot-Grün fragen wir: Was halten Sie heute von unserer Regierung? Geben Sie Ihre Stimme noch einmal ab. Kurze Antworten an die taz, Stichwort Rot-Grün, Kochstr. 18, 10969 Berlin; Fax: (030) 251 93 16; E-Mail: lesertaz.de

Jede Regierung kennt das Dilemma mit der Wahrheit auf dem Markt der Wählergunst. Sobald sie zukunftsweisende unpopuläre Dekrete verfasst oder umsetzt –oder töricht gar vorankündigt –, muss sie am Besitzstandsdenken vernetzt-fusionierter Interessengruppen scheitern. Richtmaß einer redlich agierenden großen Volkspartei wäre am Ende ihrer Regierungszeit das entlastende Wahlergebnis: Unterschreiten der Fünfprozenthürde. Liegt die Regierunsgpartei / -koalition noch im zweistelligen Bereich, hat sie das Wahlvolk getäuscht, hilflose Randgruppen geschädigt oder dringend notwenige Reformen verpasst, ausgeklammert aus purer Feigheit (Wille zur Macht genannt). Vom Standpunkt einer objektiven Gesinnungsethik müsste diese Partei sofort verfemt, ihre Anführer für die nächste Legislaturperiode, statt lärmende Opposition zu spielen, in den Schuldturm gesperrt werden. Die Kosten für die 4-jährige medizinische Entzugsbetreuung des Pilatussyndroms trägt die Parteikasse.

Hannelore Böricke, Hohnstein

Der Aufbruch in eine neue Republik hat sich als eine Zeitreise ins Land des Aussitzens mit seinem König Helmut entwickelt. Die neue Regierung hat es versäumt, unsere Gesellschaft reif für ein Leben in der Moderne zu machen. Anstatt einen neuen Weg in der Drogen-, Immigrations- , Renten-, Bildungs- und Außenpolitik einzuschlagen, hat sie sich vom konservativen Mob auf der Straße (Unterschriftenkampagne) einschüchtern lassen und ist im Fahrwasser von Helmut Kohl geblieben.

Wenn ich heute noch mal wählen könnte, würde ich höchstwahrscheinlich und zähneknirschend die Anarchistische Pogo Partei Deutschlands wählen. Da hätte ich zwar auch keine Konzepte bekommen, aber es hätte eine Riesenparty gegeben.

Franz Fuchs, Egglkofen

Die SPD und Deutschland haben ein großes Problem (das es selber so gewollt und gewählt hat): Gerhard Schröder. Einem Mann, der 1994 Scharping das Messer in den Rücken gestoßen hat, traue ich fast alles zu, um Lafontaine wegzubeißen.

Mich überrascht das alles überhaupt nicht, nur das Ausmaß von Konzeptionslosigkeit dessen, der eigentlich Richtlinienkompetenz haben soll. Wann endlich zeigt die SPD, dass sie kein Kanzlerwahlverein ist?

Mario Lucchesi, Tornow

Diese Regierung ist – von außen betrachtet – seit langem die beste, sie stärkt das Ansehen der Bundesrepublik. Sie übernahm einen nie dagewesenen Schuldenberg und versucht, ihn abzutragen. Es gibt z.Z. keine bessere, nicht mal eine gleich gute Alternative. Diese Regierung soll arbeiten, nicht jeden Tag gewählt werden.

Barbara Höhfeld, Frankfurt

Auch ich habe Rot-Grün gewählt, und obwohl ich keine konkreten Erwartungen hatte, bin ich inzwischen enttäuscht. Ich befürchte, dass es eine weitere Legislaturperiode für diese Regierung nicht geben wird. Es scheint in der Tradition der SPD zu liegen, die Macht von Kapital und Wirtschaft stets zu unterschätzen und das Wissen über diese Zusammenhänge bei der „Arbeiterschaft“ zu überschätzen. Deshalb sind einige politische Entscheidungen weder selbstverständlich noch nachvolziehbar, sofern man seine Informationen darüber den Schlagzeilen der Medien entnehmen muss.

Die Politikverdrossenheit unter 16-Jahre-Kohl weicht nicht mit der gleichen Geschwindigkeit einem Politikverständnis, wie das Tempo der vielen Maßnahmen (Ökosteuer, 630-Mark-Jobs, „Scheinselbständigkeit“, Sparpaket etc.) es erfordern würde – sogar bei mir nicht. Ich fühle mich unter dieser Regierung mehr angegriffen als aufgehoben, und meine „Rechte“ auf Selbstbestimmung werden zunehmend eingeschränkt. Machtanspruch und -wirklichkeit sind nicht dasselbe – Grün hat das noch nicht verstanden, deshalb sollten sie noch ein Weilchen auf die Oppositionsbank. WählerInnen entscheiden nicht nur nach Sachfragen, sondern auch nach Portemonnaie und Psyche, und die nächste Entscheidung wird diese Regierung wieder zu Fall bringen.

Astrid Gremkowitz,

Tuntenhausen

Bis jetzt sind Bündnis 90/Die Grünen eher Regierungsbeisitzer als Regierungsbeteiligte. Aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich noch etwas tut in Bezug auf Homoehe, Atomausstieg, Nachhaltigkeit. Dazu müsste Schröder aber seine Samthandschuhe ausziehen, wenn er mit den Wichtigen der Atomindustrie plaudert. Er müsste die Automobilindustrie weniger und seine bisexuellen Anteile mehr lieben.

Eva Daeneke, Lüdenscheid

Ich bin enttäuscht – vor allem von „Grün“ – und leider enttäuschen gerade die Frauen / Sprecherinnen. Die praktizieren vorauseilenden Gehorsam gegenüber Gerhard Schröder.

Auch von Andrea Fischer bin ich enttäuscht, sie hat zwar eine sehr schwere Aufgabe, aber in ihrem Konzept „Globalbudget“ etc. passt alles nicht zusammen. In der Realität geht es gegen die Patienten – schade.

Ilse Meier, Flörsheim