An Schlaf ist nur selten zu denken

Der Kampf um Frachtquoten auf Europas Autobahnen fordert immer mehr Opfer. Nicht nur die wachsende Zahl von Verkehrstoten durch Lkw-Unfälle, auch die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der Fernfahrer führt zu höheren Unfallzahlen. Die Autobahn – eine Via dolorosa.

Fast zweieinhalb Millionen Lastwagen sind in Deutschland momentan zugelassen; seit 1996 wuchs die Anzahl des Lastverkehrs (einschließlich der im Ausland zugelassenen Gefährte) um satte dreizehn Prozent. Die Lkw-Karawane produziert bemerkenswerte Ergebnisse: Ein Lkw verursacht während seiner gesamten Einsatzdauer so viele Straßenschäden wie 163.840 Pkw. Jedes Jahr kommen rund 1.500 Menschen durch Lkw-Unfälle ums Leben.

Lkw-Fahrer sind die Prügelknaben und Sündenböcke der autofahrenden und -hassenden Nation. Doch ohne sie gäbe es keine Versorgung mit Konsum- und Luxusgütern. Für die Bequemlichkeit der Bevölkerung zahlen die Asphaltcowboys einen hohen Preis.

Viele Fahrer arbeiten illegal und für einen Hungerlohn. Brummifahrer sind auch Opfer des steigenden Transportbedarfs. Um den Job zu behalten, umgehen Trucker mit krimineller Energie vorgeschriebene Fahrtzeiten, Geschwindigkeitsbegrenzungen und die Straßenverkehrsordnung.

48 Stunden dürfen sie laut Gesetz pro Woche am Steuer sitzen. Vier Stunden am Stück darf offiziell gefahren werden – danach ist eine Pause von dreißig Minuten vorgeschrieben. Doch daran hält sich fast keiner. Die Realität sieht anders aus – achtzehn Stunden Fahrtzeit am Stück sind in den Augen der Fahrer normal.

Um die Vorschriften zu umgehen, werden in den Fahrerkabinen Tachonadeln verbogen und Schalter installiert, um den Stromkreis der lästigen Stundenzähler zu unterbrechen.

Für oft kaum mehr als viertausend Mark brutto im Monat riskieren sie das eigene Leben und das anderer Autofahrer. Feste Tarife für die Fahrer gibt es nicht. Wer protestiert, muss mit Ächtung rechnen. Große Speditionen stellen bereits schwarze Listen mit unerwünschten Fahrern ins Internet.

Die Gründung von Gewerkschaften wird von Arbeitgebern erfolgreich unterdrückt. Kündigung und die billigen Arbeitskräfte aus dem Osten sind wirkungsvolle Druckmittel. Zwei Rumänen zum Beispiel kosten zusammen nur 1.500 Mark im Monat und sind bereit, von 48 Stunden vierzig Stunden hinterm Steuer zu sitzen.

Prominentes Druckmittel der Lkw-Fahrer hingegen sind regelmäßig Streiks an Grenzstationen. Die Arbeitsverweigerung von Truckern beschert europäischen Urlaubern oft stunden- und tagelange Wartezeiten auf der Autobahn.

Gegen Frust, Übermüdung, auseinanderbrechende Ehen, instabile Freundeskreise helfen altbewährte Brummi-Trostmittel: vor allem rebellisch inspirierteGunter Gabriel-Folklore aus dem Kassettenrekorder: „Hey Boss, ich brauch mehr Geld“. Tanja Fischer-Jung