Offener Drogensonntag

■ Die Niederlande machen vor, wie man sonntags die Innenstädte voll kriegt

Noch hat ja halb Deutschland seinen Spaß dabei, sonntags Duschvorhänge einzukaufen. Die vollendete Freiheit: Klobrillen, Duftbäume und Schuhlöffel – jederzeit für jedermann. Aber lange werden die Duschvorhänge und Brunnenfeste deutsche Innenstädte sonntags nicht mehr füllen. Wie sie stattdessen proppevoll werden, macht die niederländische Stadt Venlo vor: Drogenhandel als spannendes Einkaufserlebnis für Jung und Alt.

Findige Einzelhändler machen's beim holländischen Nachbarn vor: Drogen. Im Genussmittel-Einkaufsparadies Venlo tummelt sich Woche für Woche das halbe Ruhrgebiet. Der Verkehrsverbund macht einen Sonderpreis und kutschiert in einer guten Stunde die Käufermassen hinüber. Den deutschen Einzelhändler wurmt's. Traurig sieht man lokale Drogendienstleister am Bahnhof stehen. Einige quälen sich nun auch sonntags hierher. Doch die Kunden ziehen vorbei Richtung Einkaufserlebnis Niederlande. Sie verschmähen die diversifizierte heimische Produktpalette von Heroin bis Muskatnuss und wollen nur das eine: Gras und Pilze.

Und zwar von Frau Antje und Konsorten. Denn bei ihr wird Einkaufen zum Abenteuer. Ein Spektakel mit legalen und nichtlegalen Läden, Werbern, Streifenwagen und einer Grenze, wo die Legalität aufhört und der ultimative Kick des Verbrechens beginnt. Manch deutscher Rentner kam für Gouda und ward auf der Heimkehr mit psilocybinhaltigen Rauschmitteln erwischt. Erlegen dem Flair der Narkotikametropole.

Schon zwischen Venloer Bahnhof und Innenstadt warten hilfsbereite Einkaufsberater. Um die vom Kunden erwartete Halbweltstimmung zu verströmen, haben sie Berufskostüme angelegt. Tough, direkt und fair der Afroniederländer in Lederjacke, Baseballmütze und Kaugummi. „Hasch? Speed? Koka?“, kommt er auf den Punkt. Kumpelhaft und geschwätzig dagegen der Südländer mit Rüschenhemd, Anzughose und Schnäuzer: „Gutes Grass, neun Sorten, gute Preise. Kein Problem, Kollege.“ Zielstrebig führen sie den Kunden durch die verwinkelten Straßen des schmucken Städtchens zum nichtlizenzierten Einzelhändler. Der bietet nicht nur bessere Preise als seine lizenzierten Kollegen an der Hauptstraße, sondern auch eine unverwechselbare Atmosphäre. Videokameras, vergitterte Türen, zugehängte Fenster. Der Werber schellt, die Haustür öffnet sich kurz, und man steht in Räumen voller Rauch, Sofas und netter Menschen, die morgens aussehen wie andere spät nachts. In Holland versteht man es eben, den Einkauf zum unvergesslichen Erlebnis zu machen.

Durch das neue Berufsbild des Werbers sind viele neue Jobs im boomenden Dienstleistungssektor entstanden. Selbst die nette Mittvierzigerin mit Einkaufskorb am Damenrad macht einen netten Nebenverdienst mit „Koffischop, Koffischop?“-Rufen. Nicht dass das nötig wäre. Man kann sorglos an einem beliebigen Venloer Haus anschellen. Spätestens beim zweiten Versuch steht man beim Fachhändler. Derweil werden in Deutschland weiterhin sonntägliche Brunnenfeste gefeiert und mindestens so langweilige Kurzwaren feilgeboten. Was für ein Umsatz wird hier Sonntag für Sonntag verschenkt! Die Niederländer haben schon vor Jahren gemerkt, dass Emmentaler, Vla und Erdnussbutter keinen über die Grenze locken. Selbst isst man das Zeug ja seit Jahren nicht mehr. Nun gibt's halt Genussmittel, während Deutschland weiter sonntags vorm Kaufhof an einer Rostbratwurst nuckelt. Aber wie lange noch? Stillstand ist mörderisch fürs Geschäft!

Brechen wir mit Kaufhof, Schröder und der SPD die vormodernen Verkrustungen auf: Haschbutter in den deutschen Supermarkt! Erst recht am Sonntag. Und damit auch alle Niederländer brav ihren Schuss bei uns kaufen: Heroin nach deutschem Reinheitsgebot! Konrad Lischka