Schacht Konrad: Der Bund am Zug

Trittin lädt den Landesminister zum ersten Mal zum Rapport. Der freut sich, weil er so die Verantwortung für das Endlager abschieben will  ■   Aus Hannover Jürgen Voges

Im niedersächsischen Umweltministerium ist vorgestern ein Brief aus Berlin eingegangen, auf den man dort fast ein Jahr gewartet hat: Bundesumweltminister Trittin hat seinen Amtskollegen Jüttner zu einem bundesaufsichtlichen Gespräch über das Endlager Schacht Konrad nach Berlin geladen. In dem bisher noch nicht terminierten Gespräch müsse der Bundesumweltminister nun „als der faktische Herr des Konrad-Genehmigungsverfahrens endlich rechtsverbindlich sagen, wie es mit dem Endlagerprojekt in Salzgitter weitergehen soll“, begrüßte Jüttners Sprecherin, Jutta Kremer-Heye, gestern das Schreiben.

Die rot-grüne Bundesregierung bereitet in Niedersachsen mit dem Salzstock Gorleben und der ehemaligen Eisenerzgrube Schacht Kornrad in Salzgitter gegenwärtig immer noch zwei Atommüllendlager vor. In Gorleben wird weiter an einem Endlager für 1,1 Millionen Kubikmeter radioaktive Abfälle aller Art gearbeitet, in Schacht Konrad wäre für weitere 650.000 Kubikmeter schwach Wärme entwickelnde Abfälle Platz.

Zwar sieht die rot-grüne Koalitionsvereinbarung vor, den Endlagerbergbau in Gorleben zu unterbrechen und dann noch einmal neu nach einem Standort für ein einziges Endlager für alle Arten radioaktiver Abfälle zu suchen. Doch getan hat sich bisher nichts.

Im Endlager Konrad, das nun schon seit 1976 auf seine Eignung untersucht wird, war die Einlagerung von hochradioaktiven Abfällen nie geplant. Das eine von Rot-Grün geplante Endlager für alle Abfallarten kann die Eisenerzgrube deswegen nicht werden. Und dies betont Bundesumweltminister Trittin, der über das Bundesamt für Strahlenschutz die Genehmigung für Konrad beantragt hat, genauso wie der niedersächsische Umweltminister Jüttner, dessen Haus über die Genehmigung des Endlagers entscheidet.

Der Verzicht auf ein separates Endlager für die schwach Wärme entwickelnden Abfälle ist dabei keineswegs ein Schritt zum generellen Ausstieg aus der Atomkraft. Die vorherige, keineswegs ausstiegswillige Bundesregierung schätzte, dass bis zum Jahre 2080 maximal 412.000 Kubimeter schwach Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle anfallen könnten, und die könnten in einem Endlager für alle Arten von Abfällen allemal zwischen den Behältern mit hochaktivem Müll untergebracht werden. Diese heißen Behälter darf man nämlich auch in einem Endlager nicht eng aneinander packen. Natürlich ist ein einziges Endlager auch billiger. Etwa 5,5 Milliarden Mark lassen sich durch den Verzicht auf das Extralager Konrad einsparen.

Umso merkwürdiger ist allerdings, dass der Bundes- und der niedersächsische Umweltminister sich seit Monaten gegenseitig die Verantwortung für eine drohende Genehmigung des Endlagers Konrad zuschieben. Der Niedersachse Jüttner meint, im Konrad-Genehmigungsverfahren sei der Bund am Zuge. Ansonsten müsse die Genehmigung erteilt werden, sobald der Transportstopp für radioaktive Abfälle nicht mehr gelte. Das niedersächsische Umweltministerium hatte nämlich im Mai 1998 die Konrad-Genehmigung schon einmal praktisch fertig gestellt, dann aber gegen den Willen der damaligen Umweltministerin Angela Merkel das Genehmigungsverfahren mit der Begründung unterbrochen, nun müssten zunächst die Ursachen der Kontaminationen an Atommüllbehältern aufgeklärt werden.

Jürgen Trittin als Bundesminister stellt sich demgegenüber öffentlich auf den Standpunkt, Niedersachsen könne als Genehmigungsbehörde beim Endlager Konrad in eigener Verantwortung frei entscheiden, also die vom Bund beantragte Genehmigung auch verweigern. Auf den Antrag seines Bundesamtes für Strahlenschutz auf Errichtung des Endlagers will der Bundesumweltminister auf keinen Fall verzichten. Bei einer Rücknahme des Antrages müsse der Bund 1,4 Milliarden an Vorausleistungen, die vor allem die AKW-Betreiber gezahlt haben, zurücküberweisen, betonte Trittin in den letzten Wochen öfters.

Frei agieren kann das Land Niedersachsen im seit 1982 laufenden Konrad-Genehmigungsverfahren allerdings schon lange nicht mehr. Auf dem Felde des Atomrechts ist der Bund gegenüber den Ländern weisungsbefugt, weil diese dort nur im Auftrag des Bundes tätig werden. Sieben bundesaufsichtliche Weisungen hat der Bund im Konrad-Genehmigungsverfahren gegen das Land erlassen. Dadurch wurde der Umfang der Prüfungen in dem Verfahren eingeschränkt, die kritischen Punkte des Endlagers durften nur unzureichend untersucht werden.

In der letzten Weisung vom September 1997 untersagte es der Bund dem Land dann explizit noch einmal, jenes Argument gegen die Genehmigung zu benutzen, das sich jetzt in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung findet. Seinerzeit wollte Niedersachsen dem überflüssigen separaten Endlager für schwach Wärme entwickelnde Abfälle den Bedarf, die notwendige „Planrechtfertigung“, absprechen. Doch dies wurde von Angela Merkel untersagt.

Die bundesaufsichtlichen Weisungen und Schreiben der Amtsvorgänger von Trittin sind durch den Bonner Regierungswechsel nicht rechtsunwirksam geworden. Nur nach einer Aufhebung dieser Weisungen könnte Niedersachsen zu einer anderen Bewertung des Endlagers kommen als bisher.

Bundesumweltminister Jürgen Trittin lehnt allerdings eine Aufhebung der alten Weisungen ab. Darüber hinaus hat er bei seinem letzten Besuch in Salzgitter zu erkennen gegeben, dass er überhaupt nicht will, dass Niedersachsen nun jene kritischen Punkte des Endlagers prüft, die es bisher nicht ausreichend untersuchen durfte. „Was geschehen ist, kann man nicht mehr rückgängig machen“, sagte Trittin auf eine entsprechende Frage. Hinter den bei Schacht Konrad einmal erreichten Verfahrensstand könne man jetzt nicht mehr zurück. Der Verfahrensstand ist aber eine fertige, nur auf Eis gelegte Genehmigung.

Über die Motive des Bundesumweltministers, der natürlich auch die niedersächsischen Grünen gegen sich aufbringt, kann man nur spekulieren. Es sei weiter geplant, einen Verzicht auf das Endlager Konrad im Konsens durchzusetzen, heißt es etwa in der Pressestelle des Bundesumweltministeriums.

Das separate Endlager, das auch für die AKW-Betreiber teurer wäre als ein einzelnes, zentrales Lager in Deutschland, soll wohl bis zum Ende der Konsensverhandlungen auf der Tagesordnung bleiben. Schließlich sind die Erfolge, die die Grünen in diesen Verhandlungen noch erzielen können, dünn gesät.

Hinweis:Etwa 5,5 Milliarden Mark lassen sich durch den Verzicht auf das Extralager Konrad einsparen. Doch alle warten ab