Sie knutschen, sie tanzen, sie gröhlen – und sie töten

■ Europas Golfer brechen beim Ryder-Cup tragisch gegen böse US-Amerikaner ein

Berlin (taz) – Sie knutschten den Rasen, tanzten Arm in Arm durch die Bunker, gröhlten hooligenesk über den Platz und nässten das 18. Grün literweise mit Champagner. Amerikas Golfer waren außer sich, und 30.000 ZuschauerInnen choralten besinnungslos „U-S-A“. Nach schier uneinholbarem 6:10-Rückstand gegen die Titelverteidiger aus Europa hatten die US-Golfer das Match in den 12 Einzeln am letzten Tag in Brookline/Massachusetts noch zum 14,5:13,5 umgebogen. Eine Aufholjagd, wie es sie in 72 Jahren Ryder-Cup noch nie gegeben hatte.

Golf, feiner Sport mit Etikette, wo Siegesekstase höchstens durch Hochziehen der Mundwinkel angedeutet wird? Nicht beim Ryder-Cup, dem Kontinentalduell Alte Welt gegen Neue Welt. Da kochen die Emotionen, da werden millionenschwere Stars zu kleinen Kindern. Oder zu Killern. US-Golfer David Duval hatte seinen Mitspielern gesagt: „Geht raus und tötet sie.“ Anders Europas schottischer Vizeteamchef Sam Torrance: „Das war das Ekelhafteste, was ich je erlebte.“ Er meinte das Publikum, das in der entscheidenden Phase durch ständige störende Rüpeleien auffällig wurde.

Für Fans der Alten Welt hatte das Debakel tragische Züge: Da kann man, wie sonst nirgendwo in der Sportwelt, im Daumendrücken politisch korrekt den Europagedanken bedienen. Und dann versagen die Spieler. Wie etwa der 19-jährige Spanier Sergio Garcia: Erst hatte er die US-Cracks abgeledert, dann ging nichts mehr. Oder der Schwede Jesper Parnevik: Am Freitag noch aus 150 Metern eingelocht, am Sonntag ging er ein gegen Killer Duval.

Justin Leonhard (USA) war schon nahe gelegt worden, „nach Hause zu gehen und sich die Einzel im Fernsehen anzusehen“. Er folgte dem Rat nicht und triumphierte gegen José Maria Olazábal im alles entscheidenden Match: Da lag er am 11. Loch vier Punkte schier aussichtslos im Rückstand und siegte noch – am 17. Loch mit einem Put aus 15 Metern.

Hal Sutton (USA) hatte „den größten Moment der Golf-Geschichte“ erlebt. Sports Illustrated sagte, warum: „Nicht weit von dem Ort, wo Amerikaner erstmals gegen die europäische Tyrannei aufbegehrten, fand am Sonntag eine neue Revolution statt.“ Statt Boston Tea Party war halt aufgeteet. Bernd Müllender