Zülpicher Kinder an der Macht

■ In der 19.000-Einwohner-Stadt haben sich Schüler in den Rat wählen lassen: „Die denken, dass wir was für ihre Kinder tun“

Bochum (taz) – Zu den Politikkverdrossenen seiner Generation gehört Abiturient Jan Höft (18) nicht. Aber unzufrieden mit der Jugendpolitik in seiner Heimatstadt ist er. „Wir wollen eine Alternative zu den etablierten Parteien vor Ort sein“, sagt der Aktivist der Jungen Alternativen (JA), „und die Jugend und die junggebliebenen Erwachsenen vertreten.“ Dazu wird Höft zukünftig genug Gelegenheit bekommen.

Bei den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen vor zwei Wochen ist er in den Stadtrat der 19.000-Seelen-Gemeinde Zülpich gewählt worden. Der künftige Ratsherr Höft sagt nun, er werde dafür kämpfen, dass die örtlichen Sportplätze erhalten und renoviert werde. Wofür seine Ratsliste ansonsten steht? Nach einem Blick in den Wahlkampfbrief weiß der Nachwuchspolitiker: Die Kinos sollen bleiben, und Zülpich soll besser an das Bahnnetz angebunden werden. Vor allem sind die Teenies gegen die Schließung eines städtischen Jugendtreffs, der zusammen mit der Stadthalle verpachtet werden soll. „,Aus Profitgründen!“, betont der JA-Vorsitzende Timm Fischer. Als Alternative bietet die Stadt den Jugendlichen Container an. Doch das mögen die Alternativ-Kids nicht akzeptieren: „Die Stadt soll einfach davon absehen, das Jugendheim zu verpachten“, sagt der Nachwuchspolitiker.

Forderungen nach Selbstverwaltung sind bei der Alternativen Jugend offenbar nicht mehr angesagt: „Das muss nicht unbedingt sein“, sagt Fischer. Während anderswo die Jugend der CDU zuläuft, ist es in Zülpich genau umgekehrt. „Uns haben vor allem CDU-Anhänger gewählt“, glaubt Höft: „Die denken, dass wir was für ihre Kinder tun.“

Aus dem Stand heraus hat die junge Liste drei Sitze errungen. Schulleiter Hans Joachim Thierfeldt hätte nicht damit gerechnet, dass seine Schüler Fischer, Höft und ihre Mitschülerin vom Franken-Gymnasium, Alexandra Schmidt, in die Zülpicher Kommunalvertretung einziehen: „Wenn sie mich vor einigen Monaten gefragt hätten, wem ich politisches Engagement zutraue, hätte ich ihnen nicht unbedingt diese Schüler genannt.“

Warum dann der Erfolg? „Die etablierten Parteien haben sich vermutlich nicht um Jugendfragen gekümmert“, meint der Pädagoge. Den Verlautbarungen der etablierten Parteien nach scheint nun der große jugendpolitische Frühling in Zülpich angebrochen zu sein. „Wir haben uns nicht zu wenig, sondern verkehrt um die Belange der Jugend gekümmert“, erklärt etwa der SPD-Fraktionsvorsitzende André Heinrich zerknirscht. Der überraschende Wahlerfolg der Jungen Alternativen zeige, dass die Zülpicher Jugend nicht politikmüde sei. Zumindest das empfindet er als positiv. Was der SPD-Mann vom Programm der Jugendlichen hält, kann er nicht sagen. „,Das kenne ich nicht!“

Die Zülpicher Grünen hingegen haben sich um die Politkids bemüht – und sind tragisch gescheitert. „Wir haben versucht, die Jungen Alternativen für die Mitarbeit bei den Grünen zu gewinnen“, klagt der Grüne Jens Pütz, „aber da war es schon zu spät.“ Pech für ihn: Die Grünen verloren einen ihrer beiden Ratssitze, und er, der Fraktionschef, flog aus dem Rat. Marcus Meier