■ Naher Osten: Noch immer sind Wahlergebnisse schon vorher klar
: Demokratie auf Arabisch

Wenn die arabische Welt ihre Präsidenten wählt, sprechen die Zahlen für sich. Oder wie ein berühmter Scheich in Ägypten zu kommentieren pflegte: „Selbst wenn wir eine Wahl über Allah abhalten, werden wir nicht die gleichen Abstimmungsergebnisse bekommen.“ Der jemenitische Präsident Ali Saleh stellte sich letzte Woche das erste Mal seinem Volke – nach 21. Amtsjahren. Angeblich sollen 96 Prozent der Wähler für ihn gestimmt haben. Jetzt wurde auch der seit 18 Jahren regierende ägyptische Präsident Husni Mubarak von angeblich 94 Prozent der abgegebenen Stimmen erneut für sechs Jahre im Amt bestätigt. Mathematischer lässt sich politische Stagnation kaum ausdrücken.

Demokratie auf Arabisch: Wie immer lässt sich die Regierungszeit in Jahrzehnten und die Zustimmung knapp unter der 100-Prozent-Marke festlegen. Ob Wahlen in Bagdad, Damaskus, Sanaa oder Kairo, am Ende ist es nie mehr als die Huldigung des großen Hirten, der seine Schafe durch nahöstlichen Wirrwarr geleitet. Witzbolde behaupten, dass die arabische Demokratisierung voranschreitet. Nahm Mubaraks Vorgänger Anwar al-Sadat noch über 99 Prozent der abgegebenen Stimmen für sich in Anspruch, muss sich nun das erste Mal in Ägyptens Geschichte ein Präsident mit nur 94-prozentiger Zustimmung zufriedengeben. Mubarak kann sich eine Million Neinstimmen leisten. Einen Gegenkandidaten gibt es ohnehin nicht. Es geht aufwärts mit der Demokratie.

Interessanterweise sind es ausgerechnet einige der arabischen Königreiche, die demokratischen Experimenten gegenüber noch ein offenes Ohr haben. In Marokko ist der ehemals wichtigste Mann der Opposition inzwischen Ministerpräsident. In Jordanien sitzen sogar die Islamisten im Parlament. Dagegen erweisen sich die arabischen Republiken, angebliche Vorreiter des Willens der Massen, bis heute als die größten Verletzer jeglicher Mitbestimmung des Volkes. Vom Westen werden sie dafür selten zur Rechenschaft gezogen. Mit der altbewährten Methode „Augen zu und durch“ schaut man dort bei der Frage der Demokratie einfach stur in die andere Richtung. „Hauptsache stabil“, heißt es dort.

Ein Spiel mit dem Feuer, bei dem sich der Westen gerade wieder einmal in Indonesien verbrannt hat. Je länger Regierungen dem Volk keine Rechenschaft schuldig sind, desto unberechenbarer wird die Situation für das jeweilige Land, bis es schließlich explodiert und die Außenwelt verzweifelt versucht, das Feuer zu löschen. Karim El-Gawhary