Gefängnisaufstände gehen weiter

Nach heftigen Auseinandersetzungen in einem Gefängnis in Ankara halten Häftlinge weiter Geiseln fest. Die Polizei riegelt sechs aufrührerische Haftanstalten weiträumig ab und verhaftet Angehörige   ■  Von Antje Bauer

Berlin (taz) – Der Aufruhr in den türkischen Gefängnissen, der am Sonntag morgen begonnen hat, setzte sich auch gestern fort. Am Nachmittag hielten politische Häftlinge in sechs Gefängnissen mehr als 90 Wachleute als Geiseln. Sie protestierten damit gegen den Tod von elf Gefangenen am Vortag und forderten die Entlassung der Verantwortlichen für den Polizeieinsatz sowie einen Stopp der Verlegung von Häftlingen. Über Auseinandersetzungen wurde gestern jedoch nichts bekannt.

Die Revolte war am Sonntagmorgen im Ulucanlar-Gefängnis in Ankara ausgebrochen, nachdem Sicherheitskräfte einige Zellen gestürmt hatten, um die Insassen in andere Gefängnisse zu verlegen. Angeblich hatten sie einen Tipp bekommen, dass die Gefangenen einen Tunnel gegraben hatten, um einen Ausbruch zu versuchen. Betroffen waren Verurteilte und Untersuchungshäftlinge verschiedener verbotener linker Organisationen wie etwa der DKHP/C, die aus der Dev-Sol hervorgegangen ist. Der Menschenrechtsverein bestritt allerdings einen Ausbruchsplan der Gefangenen.

Eine Gruppe von Häftlingen aus der kurdischen PKK, die ebenfalls in Ankara einsitzt (darunter die kurdische Abgeordnete Leyla Zana), beteiligte sich nicht an dem Aufstand und wurde in einen anderen Gebäudeteil verlegt.

Berichten türkischer Zeitungen zufolge wehrten sich die Gefangenen gegen die Beamten, indem sie sich in ihren Zellen verbarrikadierten und die Sicherheitskräfte mit Pistolen und Molotowcocktails angriffen. Bei den darauffolgenden siebenstündigen Auseinandersetzungen setzten die Sicherheitskräfte Schusswaffen, Knüppel und Tränengas ein. Elf Gefangene wurden dabei getötet und 24 verletzt, auch sieben Polizisten wurden verwundet.

Im Laufe des Tages kam es in acht weiteren Gefängnissen in der Westtürkei und Istanbul zu Aufständen politischer Häftlinge und zu Geiselnahmen von Gefängniswärtern. Auch in der Umgebung der Haftanstalten kam es zu Auseinandersetzungen. Die Polizei sperrte großräumig ab und setzte sogar Panzer ein. Journalisten wurden nicht vorgelassen.

In der Nähe der Gefängnisse versammelten sich beunruhigte Verwandte der Gefangenen, sahen zu, wie die Verwundeten ins Krankenhaus gebracht wurden, und hörten Schüsse im Gefängnis. Bei Auseinandersetzungen zwischen den Verwandten und der Polizei wurden in Ankara 20 Angehörige festgenommen, in Istanbul gab es drei Festnahmen. Premierminister Bülent Ecevit, der am Montag eine Reise in die USA antrat, kündigte an, seine Regierung werde mit harter Hand gegen die Aufständischen vorgehen.