Nach der Fusion wird entschlackt

■  Die Mischkonzerne Veba und Viag fusionieren. Mit Strom und Chemie will der Konzern an die Weltspitze. Auf dem Weg dorthin verkauft er Töchter und sucht nach Bräuten

Berlin (taz) – Bislang ist sievorbildlos: Die größte Fusion der deutschen Wirtschaftsgeschichte und die erste im Energiesektor seit der Liberalisierung der Strommärkte – sozusagen die Probe aufs Exempel. Trotzdem waren sich gestern bei der Bekanntgabe der vorläufigen Eckdaten für den Zusamenschluss der Mischkonzerne Veba (Düsseldorf) und Viag (München) alle Beteiligten sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Auch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber strahlte, obwohl er lange gezögert hatte, einen Teil der bayerischen 25-Prozent-Viag-Anteile zu verkaufen. Für zehn Prozent der Aktien bekommt der Freistaat Bayern nun den hohen Preis von 3,1 Milliarden Mark.

„In der Energie gibt es einen Zwang zur Größe“, sagte Veba-Chef Ulrich Hartmann, der den noch namenlosen neuen Konzern ab dem 1. Januar gemeinsam mit seinem Viag-Kollegen Wilhelm Simson führen wird. Aber Hartmann denkt weiter: Mittelfristig müsse man weltweit agieren, also auch international zukaufen und möglicherweise fusionieren. Das nötige Geld will er durch den Verkauf von Randgeschäftsfeldern beschaffen.

Am Wochenende hatten die Aufsichtsräte der beiden Konzerne den Plan der Vorstände abgesegnet. Er sieht vor, das gemeinsame Unternehmen, das zunächst einen Umsatz von rund 150 Milliarden Mark und mehr als 200.000 Beschäftigte haben wird, klarer zu strukturieren und auf die Kerngeschäfte Energie und Spezialchemie zu konzentrieren. Unter den Energieversorgern wird der fusionierte Konzern die Nummer eins in Deutschland und die Nummer drei in Europa. In der Chemie soll der Konzern weltweit führend sein.

Das Immobiliengeschäft und die Telekommunikationstochter Viag-Interkom sollen „wertsteigernd weiterentwickelt“ und dann wohl an die Börse gebracht werden. Die Veba-Beteiligung an e-plus wird möglichst bald abgestoßen. Ähnliches gilt für alle anderen Geschäftsfelder und Beteiligungen, zu denen unter anderem Schmalbach-Lubeca und Gerresheimer Glas (Verpackungen), Stinnes (Logistik), der Aluminum-Konzern VAW und Klöckner & Co. (Handel) gehören. „Hetzen lassen“ wolle man sich aber nicht, sagte Hartmann mit einem Seitenhieb auf DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp. Der hatte den deutsch-amerikanischen Zusammenschluss unter das Motto „Speed, speed, speed“ gestellt – und sich jede Menge Ärger mit den amerikanischen Partnern eingehandelt.

Zwei bis drei Jahre werde man schon brauchen, pflichtete Hartmann dem Finanzvorstand Michael Gaul bei. „Wir werden uns immerhin von gut 28 Milliarden Euro Umsatzvolumen trennen.“ Dabei fielen rund 100.000 Arbeitsplätze aus dem Konzern heraus. Allerdings legte Gaul Wert auf die Feststellung, dass es sich „hier nicht um einen Personalabbau handelt“.

Tatsächlich dürften die Stellen in den ausgelagerten und verkauften Unternehmensteilen sicherer sein als etwa die im verbleibenden Energiebereich. Bei Veba und Viag laufen bereits Rationalisierungsprogramme, in deren Verlauf 5.200 Arbeitsplätze wegfallen sollen. Mit der Fusion dürften es noch einmal mindestens 2.500 sein, der Großteil davon bei der Veba-Tochter PreussenElektra. Denn rund ein Drittel der erhofften Einsparungen von jährlich rund 800 Millionen Euro sollen im Personalbereich erzielt werden. Nach einem Bericht der Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung könnten sogar bis zu 8.000 Stellen gestrichen werden.

Trotzdem begrüßten sowohl PreussenElektra-Gesamtbetriebsratschef Rainer Dücker, der dem Veba-Aufsichtsrat angehört, als auch der Vorsitzende der IG BCE, Hubertus Schmoldt, die Fusion als „zukunftsweisend“. Alle anderen Lösungen wären „am Ende auch für die Arbeitnehmer nachteiliger“ gewesen, sagte Schmoldt. Dücker bestätigte, dass alles, „was jetzt beschlossen wurde, mit den Arbeitnehmern abgestimmt“ sei. Jürgen Feuchtmann, ÖTV-Landesgeschäftsführer in Bayern, befürchtete dagegen „erhebliche negative Folgen auf die 18.000 Arbeitsplätze“ bei den Energietöchtern Bayernwerk (Viag) und PreussenElektra (Veba).

Die Hauptversammlungen der Konzerne und die Kartellbehörden in Brüssel und Berlin müssen der Fusion noch zustimmen.

Beate Willms