Warten unterm gelben Luftballon

■ In Oldenburg feiert Becketts „Warten auf Godot“ eine ernst-vergnügliche Premiere

Kann eine Neuinszenierung von Becketts „Warten auf Godot“ überhaupt noch neugierig machen? Zunächst scheint es das Publikum im Oldenburgischen Staatstheater allenfalls am Rande zu tangieren, auf welche Weise Godot nun dieses Mal erneut nicht kommt. Diese reservierte Haltung aber verwandelt sich in echtes Interesse. Denn obwohl Becketts Parabel viel von Verzweiflung und existentieller Langeweile spricht, ist ihre Botschaft letztlich doch positiv: Hinter dem Alptraum des Wartens scheinen Trost und Hoffnung auf. Ein Aspekt, den die sonst schwermütigen Beckett-Inszenierungen oft unterschlagen, den die verdienstvolle Oldenburger Aufführung aber in ihren Mittelpunkt rückt.

Dabei bedarf diese Interpretation des Regisseurs Guido Huonders noch nicht einmal allzu großer Eingriffe in den Anfang der 50er Jahre entstandenen Text. Selbst die Szenerie aus dürrem Baum und schäbiger Leitplanke hält sich vielmehr geradezu entwaffnend präzise an Becketts Angaben. Doch so vorsichtig und subtil Huonder seine Botschaft hier einflicht – und so schlicht und unspektakulär diese auch ist – so wirkungsvoll strahlt sie doch durch die vordergründige Hoffnungslosigkeit der beiden gelangweilten Vagabunden auf der Bühne hindurch. Sanftes Licht, braune Pastellfarben im Hintergrund, ein kitschiggelb leuchtender Gasluftballon als aufgehender Mond und nicht zuletzt das relaxte, oft humorvolle Agieren der beiden Hauptdarsteller lassen die Leere und das Grauen, von denen Wladimir und Estragon immer wieder sprechen, nie zur existentiellen Bedrohung werden.

Das verdankt sich vor allem dem Zusammenspiel Wladimirs (Rudolf Bellgrasch) und Estragons (Ulf Perthel), denen es gelingt, sich im Bewusstsein der Absurdität ihres vergeblichen Wartens über die eigene Melancholie lustig zu machen.

Im Mittelpunkt dieser Inszenierung steht aber weder ihr Warten noch ihre scheinbare Verzweiflung, sondern die Freundschaft zwischen den beiden Landstreichern. Sowohl die Bewegungen auf der Bühne als auch die Aufmerksamkeit des Publikums werden durch die Beziehung zwischen den beiden in einem so hohen Maße bestimmt, dass der befremdliche Herr Potzo (Murat Yeginer) und sein Diener Lucky (Roman Kohnle) trotz ihrer langen Auftritte zu Nebenfiguren werden. So lärmig und dominant sie im Vordergrund der Bühne auch herumspringen, sich wälzen, übereinander herfallen und einander ohne erkennbares Motiv quälen – spannend für den Zuschauer sind doch immer nur die Reaktionen, die sie bei Wladimir und Estragon auslösen. Und diese verraten zunehmend ironische Distanz, und das nicht nur dem unheimlichen Paar gegenüber, sondern auch auf das eigene Verhalten bezogen: „Was sollen wir nur machen?“ – „Wir wollen zufrieden sein.“ – „Ich bin zufrieden.“ – „Ich auch.“ – „Was wollen wir jetzt machen, da wir zufrieden sind?“ – „Wir warten auf Godot.“

Solche Dialoge können ziemlich ermüdend sein, hier aber gelingt es, sie amüsant wirken zu lassen. Am Schluss gibt es begeisterten Applaus, auch von denen, die anfangs gelangweilt wirkten. Was bleibt, ist nicht Hoffnungslosigkeit wie nach so mancher Beckett-Inszenierung, sondern eine Menge Stoff zum Nachdenken. Auch Warten kann sehr inhaltsreich sein.

Mona Clerico

Aufführungen: 28. und 29. September; 1., 3., 10., 13., 21. und 29. Oktober, jeweils 20 Uhr. Karten unter Tel.: Tel.: 0441/222 52 21