Spätes Nachspiel einer emotionalen Schülerdemo

■ Fünf Bildungspolitik-Kritiker müssen sich vor dem Amtsgericht verantworten: Vom Landfriedensbruch-Vorwurf rückte die Staatsanwaltschaft inzwischen ab

Proteste habe es am Breitenweg vor der Bildungsbehörde schon oft gegeben, sagt Pressesprecher Rainer Gausepohl. Aber eine derart emotionsgeladene Schüler-Demo wie am 16. Juli 1998, das hätten auch die Kollegen bestätigt, habe „man im Haus noch nicht erlebt“. Gestern mussten sich vor dem Amtsgericht fünf Schüler und Ehemalige des Instituts für Erwachsenenbildung (ife) wegen Landfriedensbruch verantworten. Einem wurde zudem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Elf Belastungszeugen waren geladen, um zu klären, ob der Vorwurf der Staatsanwaltschaft haltbar ist: Denn am Ende ging es um eine zerbrochene Scheibe (Kosten: 661 Mark 12), um eine Handvoll junger Menschen, die einige Zeit durch die Behördengänge waberten bevor sie von der Polizei hinausbefördert wurden und darum, mit welchem Ausmaß an Gewalt sie sich Zugang zu dem Gebäude verschafft oder sich bei dem Rausschmiss gewehrt hatten.

Was war geschehen? Gegen das Vorhaben von Ex-Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD), die Schulzentren Huckelriede und Holter Feld zu schließen, waren Schüler wochenlang Sturm gelaufen. Am 16. Juli, als die Bildungsdeputation tagte, hatten sich 100 bis 150 Schüler vor der Behörde am Breitenweg versammelt, um gegen die Pläne zu protestieren. Am Haupteingang ging eine Scheibe zu Bruch – und kurz darauf drängte eine Handvoll Protestler durch die Tür, die für einen Polizisten geöffnet worden war. Eintreffende Verstärkung fing die Leute – offenbar auf der Suche nach dem Sitzungszimmer der Deputation – wieder ein und beförderte sie vor die Tür. Ein Polizist wurde dabei gegen eine Tür gedrängt. Erst viel später wurden die vermeintlichen Eindringlinge in der Stadt wieder aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt.

Drei der fünf Angeklagten hatten schon vor Prozessbeginn Bilanz gezogen: „Offenkundig“ gehe es in dem anstehenden Prozess um eine Einschüchterung von Personen, „die nicht alle Entscheidungen von Politikerinnen widerstandslos hinnehmen“, schrieben sie in einem Flugblatt, mit dem erfolgreich zum Besuch des Prozesses aufgefordert wurde – der Zuschauerraum konnte die Besucher gerade eben so fassen. Die Schuld für die „vermeintlichen Ausschreitungen“ seien dem ife in die Schuhe geschoben worden, um das Institut mit dem linken Image in Misskredit zu bringen und um Schüler der verschiedenen Schulen gegeneinander aufzubringen.

Das Angebot von einem der vier Verteidiger, das Verfahren einzustellen, hatte die Staatsanwaltschaft im Vorfeld abgelehnt. Zu Beginn des großangelegten Prozesses zeigte man sich gestern kompromissbereiter. Allein: Die Verteidiger beharrten auf einer für die Mandanten kostenfreien Einstellung des Verfahrens. Und so wurde verhandelt und verhört.

Die Angeklagten saßen dabei die meiste Zeit im Zuschauerraum. Ihre Plätze wurden durch Komparsen aus dem Zuschauerraum aufgefüllt. Und tatsächlich: Nur zwei Zeugen erkannten nach Aufforderung zur Suche zwei der Angeklagten wieder. Der Staatsanwalt korrigierte später seinen Strafantrag auf schweren Hausfriedensbruch, der die Angeklagten 30 Tagessätze à 15 Mark kosten sollte, den vermeintlichen Widerständler 45 Tagessätze à 15 Mark. Die Verteidiger hielten ihre Plädoyers. Doch im letzten Moment überlegte es sich der Richter anders: Um weitere Zeugen zu verhören, wurde der Prozess auf kommenden Dienstag vertagt. cd