Nebenbei ist okay

No Underground mischen Easy-Wohnzimmersounds mit hahaha-haufenweise Nonsens. Ein Porträt  ■   Von Andreas Hartmann

Der eine heißt Robert Defcon, der andere Dr. Phelbs. Was natürlich allein der Selbstinszenierung einer trashig glamourösen Glitzer-Existenz dienlich sein soll. Überhaupt scheinen die beiden Typen, von denen Dr. Phelbs eindeutig die schmierigeren, weil felldicken Pornokoteletten hat, mächtig in der Style- und Image-Zauberkiste gewühlt zu haben, um ihre Version von Pop durchzuziehen. Defcon hat sich für den Interviewtermin extra seine Schlagersänger-Perücke aufgezogen, und sein billiger weißer Anzug soll mit jeder Faser deutlich machen: kommt vom Flohmarkt, verarmte Zuhälter tragen sowas, wir von No Underground sind ganz toll ironisch.

Dr. Phelbs bevorzugt dagegen einen Cowboyhut. Ebenfalls Perücke wäre ja auch langweilig. Zwischen Selbst-Persiflage und dekadenter Ernsthaftigkeit bewegen sich die beiden, wie der späte Elvis. Nicht nur auf der Style-Ebene. Dr. Phelbs: „Elvis hat in den letzten zwei, drei Jahren seines Lebens um die 150 Shows pro Jahr in Las Vegas gegeben. Auf so viele kommen wir dieses Jahr noch nicht, es werden vielleicht um die vierzig bis fünfzig Shows in unserem Stamm-Auftrittsort, im Maria am Ostbahnhof. Aber fast ausschließlich an einem Ort live aufzutreten, das ist schon ein ganz konkreter Bezugspunkt zu Elvis.“ „No Underground left the building“, heißt es somit wahrscheinlich regelmäßig im Maria am Ostbahnhof nach den Konzerten.

Warum gibt es No Underground überhaupt? Eine Zeit lang war in Berlin eine Band umtriebig, die nannte sich Wohnung. Diese bewegte sich zwischen Label-Deal – vielleicht Kitty Yo? – und Wohnzimmer(-szene) und musste das undankbare Anhängsel „beste Berliner Band ohne Plattenvertrag“ mit sich herumschleppen. In dieser Band spielten auch Robert Defcon & Dr. Phelbs mit. Nun gibt es Wohnung seit längerem nicht mehr, dafür No Underground, deren CD jetzt bei Nois-O-lution erschienen ist.

Postrock ist das nicht, was No Underground so an Fundstücken aus den unterschiedlichsten Steinbrüchen einer bunten Welt aus Musik zusammengetragen haben. Postrock hat meist so etwas Intentionales an sich – „lass uns mal eben kurz den Rock auflösen, erneuern, zerstören!“ Das Konzept von No Underground scheint da eher zu sein, eine leicht klebrige Oberfläche zu produzieren, die sagt: Dahinter blicken zu wollen bringt nichts, dahinter gibt es nichts. Hauptsache, es macht Spaß, bereitet auch anderen eine Freude, ist niemals zu ernst, die Gitarren sind nicht zu penetrant, alles klingt leicht exotisch – pardon: daneben – und vielleicht sogar ein wenig „modern“. Robert Defcon: „Wichtig ist erstmals natürlich das Glamourprinzip. Teil davon ist die gezielte Unterwanderung von Popklischees, beziehungsweise Weiterverwendung von Klischees. Ich denke, dass es wenig Vergleichbares gibt zu dem, was wir machen.“

Na ja, cheesy-easy Wohnzimmersound zum Cocktails schlürfen, weder rein elektronisch noch bloß mit Gitarren, ist nun wirklich kein Beitrag zur Steigerung kollektiver Millenniumseuphorie. Aber einfach bloß als Lieferanten von okayer Nebenbei-Musik funktionieren No Underground sicherlich ganz gut.

Konkret Teil eines irgendwie kreativen Berliner Undergrounds, der dauernd zwischen Selbstausbeutung und Marc Wohlrabe hin und her pendelt, wollen No Underground nicht sein. Kein Beitrag zur Etablierung einer jungen Berliner Bewegung, falls es so etwas überhaupt gibt.

Wenn schon nicht stellvertretend für, dann wenigstens gegen etwas. Dr. Phelbs: „Schon unser Bandname ist ganz klar Ausdruck gegen die verfehlte Befindlichkeitsschiene. Die findet man besonders bei Bands der sogenannten Hamburger Schule mit ihrem politischen Ethos. Dort dominieren Texte, die wenig Freude bereiten, während bei uns der Spaßfaktor im Vordergrund steht. Ich sehe überhaupt keinen Nutzen in einer Politisierung von Musik.“

Was aber bringen Texte über Babes, die Schokolade essen sollen, weil die schmeckt? Offenbar verstehen No Underground ihr Statement als Beitrag gegen Rebellenrock und Authentizitätsgläubigkeit. Wird hier doch die Agitation, die nichts bringt, mit Ironie, die nichts will, ausgespielt. No Underground jammern nicht rum, nichts von wegen böser Staat und sowas, sondern liefern hahahahaufenweise auf Nonsens und Spaß Getrimmtes in ihren Texten. Wie sich lässiger Hedonismus und Boheme-Attitüde allerdings mit Texten kombinieren lassen, die mehr sind, als betonte Anti-Agitation und das ganze Konzept wirklich cool rüberkommt, beweist ja gerade mit großer Geste Rocko Schamoni. Da sitzt der Anzug, und ein Song wie „Gegen den Staat“ wird Dank Tralala-Pop, zum Hit. Das mit den Anzügen klappt bei No Underground ja schon ganz gut. Das mit dem Tralala auch. Bloß das mit dem lässigen Hits-aus-dem-Ärmel-Schütteln, das müssen sie noch ein wenig üben. No Underground: Free Transform (Nois-o-Lution/EFA)