Verfassungsfeinde auf dem Erntefest

■ Polizei beschlagnahmte Flugblätter der Hellersdorfer Jusos

Die Jungsozialisten (Jusos), nicht zuletzt politische Ziehstube von Bundeskanzler Gerhard Schröder, gelten weder als rechtsradikal noch als verfassungsfeindlich. Doch jetzt beschlagnahmte die Polizei ein Flugblatt des Hellersdorfer Kreisverbandes der SPD-Jugendorganisation – wegen des Verdachts auf Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen. Die konkurrierende Junge Union Hellersdorf hatte Anzeige erstattet.

Der Hintergrund des Possenspiels: Auf dem Hellersdorfer Erntefest hatten die Jusos am Sonntag Flugblätter verteilt, deren Inhalt sich mit der Aufkleberaktion „Deutschland muss in Kreuzberg wieder erkennbar sein“ der JU Kreuzberg auseinandersetzte. Neben der Frage „Wie deutsch hättet ihr's denn gerne?“ war das Bild eines Mannes in einem urinbefleckten Jogginganzug abgebildet, der den Arm zum Hitlergruß erhebt. Das Foto, aufgenommen während der ausländerfeindlichen Pogrome in Rostock-Lichtenhagen 1992, hatte damals traurige Berühmtheit erlangt.

Mit der Aktion habe man vor der „Gefährlichkeit der Aussagen der JU Kreuzberg“ warnen wollen, erklärte Sven Kohlmeier, Sprecher der Hellersdorfer Jusos. Dem christdemokratischen Nachwuchs aber ging das zu weit. „Die JU Hellersdorf hat die Flugblätter von der Polizei einziehen lassen“, klagte Kohlmeier. Zur Begründung der Maßnahme habe die Polizei in einem Beschlagnahmeprotokoll den Paragrafen 86 a des Strafgesetzbuches angeführt, erklärte der Juso-Sprecher. Der Paragraf wird gewöhnlich gegen Rechtsextremisten angewandt, die den Nationalsozialismus verherrlichen.

Im Jahresbericht des Verfassungsschutzes werden die Jungsozialisten wegen des Vorfalles aber trotzdem nicht erwähnt werden: Ein Sprecher der Polizeipressestelle wusste gestern nur von einer Anzeige wegen „Beleidigung“ gegen die Jusos, die aber bereits zurückgezogen worden sei. Andreas Spannbauer