■ Auf dem Weg zum Homo sapiens super

Im Jahre 2350 werden etwa zehn Prozent der amerikanischen Bevölkerung synthetische Gene in ihrem Erbgut haben. Hochleistungssportler, die nie geahnte Rekorde erzielen, oder Wissenschaftler mit einem besonders geschärften Verstand. Zu den zahlreichen weiteren „GenReich-Typen“, so nennt der amerikanische Molekularbiologe Lee Silver die gentechnisch optimierten Menschen der Zukunft, gehören Geschäftsleute, Künstler und intellektuelle Generalisten. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Silver, der an der renommierten Princeton-Universität in New Jersey einen Lehrstuhl innehat und auch als Gutachter für den amerikanischen Kongress tätig ist, zeigt in seinem Buch „Das geklonte Paradies“ nicht nur den derzeitigen Entwicklungsstand der Reproduktionstechnologien auf, sondern er beschreibt auch Szenarien, „die in 10, 50 oder 300 Jahren Realität sein könnten“.

Der Nachwuchs mit den gewünschten Eigenschaften ist in Silvers Szenarien keine Utopie mehr. Die Eltern müssen sich nur einig werden, ob das Kind mehr den Wünschen der Mutter ensprechen soll oder des Vaters.

Über Generationen hinweg sind Silvers GenReich-Menschen mit künstlich im Labor gezeugten Genen ausgestattet worden, so dass sie in ihren Disziplinen Hochleistungen erzielen. Demgegenüber stehen die „Naturbelassenen“, deren Vorfahren nicht die finanziellen Mittel aufbringen konnten, um ihren Nachwuchs gentechnisch zu verbessern. Die Menschheit entwickelt sich auseinander, so die Prognose des Molekularbiologen.

Silver ist überzeugt, und das scheint auch seinem Wunsch zuentsprechen, dass die Reprogenetik nicht aufzuhalten ist. Ihn schreckt selbst nicht, dass sich die Naturbelassenen genetisch so weit von den GenReichen entfernen werden, dass gemeinsamer Nachwuchs nicht mehr möglich ist. Eine neue Menschenart ist enstanden.

Wolfgang Löhr

Lee Silver: „Das geklonte Paradies“. Droemer/Knaur Verlagsanstalt, München, 1998, 395 Seiten, 46,90 Mark